Friday, April 06, 2007

 

Usbekistan: Regierung gegen Verteidiger der Menschenrechte

März 2007

Geheimprozesse und Folter im Krieg gegen die Informationsfreiheit
AI-Index EUR 62/002/2007

Der unbarmherzige Feldzug der usbekischen Regierung, mit dem sie Menschenrechtler und Journalisten zum Schweigen bringen will, geht unvermindert weiter. Angesichts der nicht verstummenden Proteste gegen die Ermordung Hunderter unbewaffneter Männer, Frauen und Kinder in Andischan am 13. Mai 2005 nehmen Gefängnis, Misshandlung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern immer breitere Ausmaße an.

Im Oktober 2006 gestand Präsident Islam Karimow zwar öffentlich ein, dass das Versagen der Lokalbehörden zu den Unruhen in der ostusbekischen Stadt Andischan beigetragen haben mag. Seine Regierung lehnt jedoch weiterhin jegliche unabhängige internationale Untersuchung von Berichten ab, wonach die ‚Sicherheits’kräfte wahllos auf weitgehend friedliche Demonstranten geschossen haben. Stattdessen wurden Hunderte von Teilnehmern der Proteste verhaftet und Dutzende laut Berichten zu Gefängnisstrafen von bis zu 22 Jahren verurteilt, darunter auch mehrere bekannte MenschenrechtsverteidigerInnen. Die meisten Prozesse fand geheim oder hinter verschlossenen Türen statt.

Internationale Organisationen mussten ihre Tätigkeit in Usbekistan einstellen, darunter auch die UNHCR-Vertretung (das UNO-Flüchtlingshilfswerk), das im März 2006 dicht machen musste. Die Regierung ist weiterhin wortbrüchig und hält ihr Versprechen nicht ein, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes Zutritt zu den Gefängnissen zu gewähren.

Besonders harte Strafen sind gegen die MenschenrechtsverteidigerInnen des Landes ergangen. Amnesty International fordert die usbekische Regierung auf, die Verfolgung von MenschenrechtlerInnen und JournalistInnen zu beenden. Amnesty International fordert die Weltöffentlichkeit auf, diese Menschen zu unterstützen, die sich mutig für die Menschenrechte eingesetzt haben.

Gewaltlose politische Gefangene
Eine Menschenrechtsverteidiger wurden aufgrund von Anklagepunkten verfolgt, die laut Berichten fabriziert wurden, und nach grob unfairen Prozessen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Vor Gericht wurden ihnen grundlegende Verteidigungsrechte verweigert, die Verfahren genügten den internationalen gesetzlichen Standards nicht.

Saidzhakhon Zainabitdinov (Saidschahon Sainabitdinow)
Der Vorsitzende der Menschenrechtsgruppe Appelliatsia (Appell) in Andischan, Saidschahon Sainabitdinow, wurde im Januar 2006 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er war am 21. Mai 2005 verhaftet worden. Sein Verfahren, das in der Hauptstadt Taschkent stattfand, war selbst für den Anwalt geschlossen, der von seiner Familie beauftragt worden war. Saidschahon Sainabitdinow wurde wegen „Verleumdung“, „Verbreitung von Informationen mit dem Ziel, Panik zu erzeugen“ und anderer Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Massaker von Andischan schuldig gesprochen. Das Gerichtsurteil wurde erst im Februar 2006 bekannt gegeben. Er wird für lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, sein derzeitiger Haftort ist unsicher.

Dilmurod Muhiddinov
Das Verfahren gegen Dilmurod Muhiddinov von der Menschenrechtsgruppe Ezgulik (Wohltätigkeit) in Andischan, fand ebenfalls hinter verschlossenen Türen statt. Er wurde im Januar 2006 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er des versuchten Umsturzes des Staates, der Verteilung von Material, das die öffentliche Ordnung gefährdet und der Beteiligung an „religiös extremistischen, separatistischen, fundamentalistischen oder anderen verbotenen Organisationen“ für schuldig gesprochen worden war. Er und vier weitere aktive Mitglieder von Ezgulik waren im Mai und Juni 2005 verhaftet worden. Einer wurde später ohne Anklage wieder freigelassen, drei andere wurden zusammen mit ihm schuldig gesprochen, wobei die drei Mitangeklagten Gefängnisstrafen von drei Jahren auf Bewährung erhielten. Sie wurden verhaftet, weil sie eine Erklärung über die Ereignisse von Andischan besaßen, die von der Oppositionspartei Birlik (Einheit) herausgegeben wurde. Auch beschlagnahmte die Polizei in ihren Wohnungen Menschenrechtsdokumente.

Mutabar Tajibaeva (Tadschibajewa)
Mutabar Tadschibajewa, Leiterin des Klubs “Ötyuraklar” (“Feurige Herzen”, Menschenrechtsorganisation in Ferghana im Osten Usbekistans), wurde im März 2006 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sie wurde in 13 Anklagepunkten für schuldig befunden, darunter der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und des Einsatzes finanzieller Mittel ausländischer Regierungen, um die öffentliche Ordnung zu gefährden. Ihr wurde nicht genug Zeit gegeben, um sich auf ihre Verteidigung vorzubereiten, Besprechungen mit ihrer Anwältin erfolgten in der Gegenwart bewaffneter WärterInnen. Vor Gericht musste sie in einem Käfig Platz nehmen, der Zugang zum Gerichtssaal war stark eingeschränkt, selbst für ihre Familie. Ihre Anwältin durfte Zeugen der Anklage keine Gegenfragen stellen. Mutabar Tadschibajewa verlor auch in der Berufungsverhandlung vom Mai 2006.

Seit ihrer Verurteilung werden Besuche ihrer Familie und AnwältInnen behindert, Pakete für sie kommen nicht an. Sie wurde wegen Verletzung der Anstaltsregeln für zehn Tage in eine Arrestzelle gesperrt und erhielt dort nicht einmal genug zu essen und zu trinken. Grund war eine Schere, die ihr anscheinend jemand unter die Matratze geschoben hatte. Ihr Gesundheitszustand soll sich verschlechtern. Eine Anwältin fühlte sich nicht länger in der Lage, sie rechtlich zu vertreten, nachdem sie u.a. Drohungen gegen ihre eigene Familie erhalten hatte.

Umida Niazova (Nijasowa)
Umida Niazova, Journalistin und Mitglied der Menschenrechtsgruppe Veritas, wurde am 22. Januar 2007 nach der südöstlichen Grenze zu Kirgisistan verhaftet. Am 28. Januar wurde gegen sie in Taschkent Anklage wegen illegaler Überquerung der Grenze und wegen des Schmuggels subversiver und „extremistischer“ Literatur nach Usbekistan erhoben. Beide Delikte können mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden. Am Tag ihrer Verhaftung hatte sie erwartet, ihr Laptop und ihren Pass, den die Polizei im Dezember 2006 am Flughafen von Taschkent beschlagnahmt hatten, als sie von einem Menschenrechtsseminar in Kirgisistan zurückkehrte, von ihrem Anwalt zurück zu erhalten. Damals hatte sich auf ihrem Computer ein Bericht von Human Rights Watch über das Massaker von Andischan befunden. Umida Nijasowa arbeitete für diese Organisation in Taschkent als Übersetzerin.

Straflose Folter
Zu denjenigen, die nach unfairen Prozessen inhaftiert wurden, gehören auch Mitglieder der Menschenrechtsgesellschaft Usbekistans, einer Organisation, der lange die amtliche Registrierung verweigert wurde. Die jüngsten Verhaftungen gehen darauf zurück, dass sie die wirtschaftlichen Rechte der Bauern verteidigten und gegen die amtliche Korruption vorgingen.
Strafrechtliche Verfolgung wegen Verleumdung

Im Oktober 2005 wurden drei führende Mitglieder der Menschenrechtsgesellschaft Usbekistans in der Region Samarkand aufgrund fabrizierter Vorwürfe der „Erpressung“ und der „Verleumdung“ schuldig befunden. Norboi Kholzhigitov (Holschigitow), ein Bauer und Mitglied der verbotenen Partei Ozod Dehkonlar (Freie Bauern), wurde zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, die Lehrer Abdusattor Irzaev (Irsajew) und Khabibula Akpulatov (Habibula Akpulatow) zu sechs Jahren. Ihnen wurde vorgeworfen, den Leiter einer Kollektivfarm (Kolchose) illegaler Aktivitäten beschuldigt zu haben und die Unterschrift von 60 Farmarbeitern gesammelt zu haben, die ihre Vorwürfe unterstützten. Weitere Anklagen, darunter Bedrohung des Lebens des Präsidenten, Versuchter Umsturz des Staates und Bildung illegaler Organisationen, wurden vom Gericht fallen gelassen. Alle drei Gefangenen wurden laut Berichten nach ihrer Verhaftung am 4. Juni 2005 gefoltert. Angehörige und Anhänger wurden schikaniert und verfolgt, darunter auch viele der in die Hunderte gehenden Bauern, die sich am 8. Juni 2005 zum Protest gegen die fabrizierte Anklage versammelt hatten. Der Anwalt, der für die drei Gefangenen arbeitet und körperlich behindert ist, wurde seit der Übernahme ihres Falls laut Berichten zweimal von Polizeibeamten angegriffen, darunter einmal am 18. Juli 2005 in seiner eigenen Wohnung. Die strafrechtliche Verfolgung des Verleumdungsvorwurfs – statt einer möglichen privatrechtlichen Klage des angeblich Betroffenen – setzt voraus, dass der Gesellschaft insgesamt großes Unrecht zugefügt wurde. Dies kann im vorliegenden Fall nicht behauptet werden.

Azam Farmonov and Alisher Karamatov
Azam Farmonov (Asam Farmonow) und Alischer Karamatow, führende Mitglieder der Menschenrechtsgesellschaft Usbekistans in der Stadt Guliston (Gulistan), wurden im Juni 2006 der Erpressung für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren verurteilt. Nach ihrer Verhaftung im April 2006 wurden sie in das U-Haft-Gefängnis von Khavast (Chawast) gebracht, wo sie laut Berichten mit Knüppeln auf die Beine und Fußsohlen geschlagen und mit Gasmasken fast erstickt wurden, damit sie vorbereitete „Geständnisse“ unterschrieben. Auf der Verhandlung wurde ihnen der Beistand eines Verteidigers de facto verweigert. Zwar war Tolib Yakubov (Jakubow), der Leiter der Menschenrechtsgesellschaft Usbekistans, als ihr Rechtsbeistand registriert worden, ihm wurden der Prozessbeginn jedoch nicht im voraus mitgeteilt. Später wurde ihm keine ausreichende Zeit gewährt, sie auf die Verteidigung vorzubereiten. Asam Farmonow und Alischer Karamatow waren Beschwerden der Bauern wegen Amtsmissbrauchs, Erpressung und Korruption nachgegangen. Örtliche Amtspersonen sollen darauf die Bauern unter Druck gesetzt haben, die beiden Menschenrechtsverteidiger zu beschuldigen, sie hätten die Bauern aufgestachelt, Vorwürfe gegen Staatsbeamte zu erheben.

Ulugbek Khaidarov
Der Journalist Ulugbek Khaidarov (Haidarow) wurde laut Berichten schwer gefoltert, und zwar sowohl vor als auch nach seiner Verurteilung zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe wegen „Erpressung“ im Oktober 2006. Er war im September 2006 an einer Bushaltestelle in Dschisach (Dzhizzak) verhaftet worden, nachdem ihm eine Frau, die rasch an ihm vorbeiging, etwas in die Tasche geschoben hatte. Er stellte fest, dass es sich um 400 US-Dollar handelte, die er sofort auf den Boden warf, weil er befürchtete, dass dies eine Falle war. Nachdem seine Frau ihn einige Tage später in Haft besucht hatte, berichtete sie, dass er krank und geschwächt aussehe. Er konnte kaum sprechen, weil sein Gesicht einseitig gelähmt war. Die Tatsache, dass er in seinem Verfahren einen unabhängigen Verteidiger ablehnte und darum bat, dass seine Angehörigen und Menschenrechtsbeobachter den Gerichtssaal verlassen sollten, sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass er unter massivem Druck stand. Nach seiner Verurteilung wurde er in ein Gefängnis nach Nawoi geschickt, wo er und 14 weitere Gefangene laut Berichten gezwungen wurden, anstrengende und schmerzliche Turnübungen zu machen, getreten und mit Knüppeln geschlagen wurden, sogar auf die nackten Füße, und ihnen allen eine medizinische Behandlung verweigert wurde. Er wurde im November freigelassen, nachdem sein Schuldspruch in der Berufung aufgehoben worden war. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte sich später heraus, dass sein Fersenknochen gebrochen war.

Festnahmen, Internierungen und Überfälle
Einige MenschenrechtsverteidigerInnen wurden in psychiatrische Anstalten interniert, um sie so in Haft zu halten und zu bestrafen, andere wurden physisch angegriffen, festgenommen oder anderweitig verfolgt und bedroht.

Internierung in einer psychiatrischen Anstalt
Dzhamshid Karimov (Dschamschid Karimow), ein Journalist, der mit Präsident Karimow verwandt ist, ist laut Berichten seit September 2006 in einer psychiatrischen Klinik interniert, nachdem er zuerst in Dzhizzakh (Dschisach) „verschwunden“ war. Die Lokalbehörden stritten jegliche Kenntnis von seinem Aufenthaltsort ab, während sie zugleich erklärten, dass er schon früher in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Seine Familie wurde von den Lokalbehörden bedroht und ihr Telefon stillgelegt, nachdem sie internationale Organisationen auf ihre Befürchtungen aufmerksam gemacht hatten, dass sein „Verschwinden“ in Zusammenhang mit seiner Arbeit als Journalist stehen könnte. Laut Berichten wird er noch immer in einer geschlossenen Abteilung der Psychiatrischen Klinik von Samarkand festgehalten. Er hatte anscheinend erwogen, das Land zu verlassen, nachdem er wegen seiner Arbeit für das Institute of War and Peace Reporting in London (www.iwpr.net) und andere internationale Webseiten schikaniert und verfolgt worden war.

Handfeste Verfolgung
Im November 2006 wurde der Journalist Aleksei Volosevich (Wolossewitsch) von fünf nicht identifizierten Männern überfallen. Sie schlugen ihn in der Nähe seiner Wohnung in Taschkent nieder, übergossen ihn mit Eimern grüner Farbe und schmierten Drohungen an seine Wohnungstür. Er wird verfolgt, seit er auf der wichtigsten unabhängigen russisch-sprachigen Webseite www.Ferghana.ru über das Massaker von Andischan berichtet hat. Er war darauf von der Regierungszeitung Pravda Vostoka (Prawda des Ostens) des Verrats beschuldigt worden. Er berichtete auch über den Prozess gegen 15 Männer, denen vorgeworfen wurde, die Proteste in Andischan organisiert zu haben, sowie über Prozesse gegen Oppositionsführer.

Elena Urlaeva (Jelana Urlajewa)
Nur fünf der elf MenschenrechtsverteidigerInnen, die im September 2006 zu einem Treffen mit dem neuen deutschen Botschafter in Taschkent eingeladen worden waren, gelang es überhaupt, den Ort zu erreichen. Die anderen wurden bedroht, unter Hausarrest gestellt oder – wie im Fall von Jelena Urlajewa – gezwungen, in ein Polizeiauto einzusteigen und dann vier Stunden lang herumgefahren, bedroht und verhört. Seit 2002 ist Jelena Urlajewa schon unzählige Male festgenommen und überfallen worden. Von August bis September 2002 wurde sei zwangsweise in eine psychiatrische Klinik interniert, weil sie vor dem Justizministerium in Taschkent für die Menschenrechte demonstriert hatte. Am 28. Juni 2005 wurde sie laut Berichten von drei Beamten des Innenministeriums mit Füßen und Fäusten traktiert und beleidigt, als sie vor dem Ministerium gegen die Festnahme eines Kollegen protestierte. Anschließend wurde sie von der Polizei über ihre Beteiligung an Demonstrationen verhört. Am 27. August 2005 wurde sie unter dem Vorwurf der „Entwürdigung staatlicher Symbole“ verhaftet, als sie in Taschkent Flugblätter verteilte, und im Psychiatrischen Krankenhaus von Taschkent eingesperrt. Obwohl sie laut Gutachten des Krankenhauses, das am 20. September erstellt wurde, als „körperlich und geistig gesund und angemessen“ eingestuft wurde, wurde sie am 23. September ins Psychiatrische Krankenhaus der Republik eingewiesen, das sie für geisteskrank erklärte und behauptete, sie bedürfe medizinischer Behandlung. Ende Oktober 2005 wurde sie wieder freigelassen.

Empfehlungen
Amnesty International fordert die usbekischen Behörden auf,
Amnesty International fordert die internationale Gemeinschaft auf:
Übersetzung aus dem Englischen, Georg Warning, Konstanz, den 2. April 2007
Verbindlich ist einzig das englische Original. Photos sind in der entsprechenden PDF Version


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