Wednesday, October 17, 2007

 

* Europa schweigt zu Überstellungen ("renditions")

Europäische Regierungen untätig - trotz erdrückender Beweise der Komplizenschaft beim illegalen, heimlichen Transfer von Gefangenen.

Europäische Staaten haben den USA bei Durchführung ihres "Überstellungs"-Programms tatkräftig geholfen. Sie haben den illegalen, heimlichen Transfer von Menschen in Länder zugelassen, in denen ihnen Folter, Willkürhaft oder gewaltsames "Verschwindenlassen" droht, oder dabei mitgewirkt.

Dies Verhalten ist ein Schlag ins Gesicht für die Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit, zu der sich Europa verpflichtet hat.

Beweise für die Mittäterschaft wurden in Untersuchungen dokumentiert, wie sie Senator Dick Marty von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der Generalsekretär der Versammlung Terry Davis und das Europäische Parlament durchführten. Diese Untersuchungen weisen auf die Kooperation einiger europäischer Staaten bei "rendition" Flügen hin, und darauf, dass Dutzende von Terrorverdächtigen in von den USA betriebenen geheimen Haftanstalten in Polen und Rumänien festgehalten wurden. Weitere Informationen, die von AI, anderen nicht-staatlichen Organisationen und Journalisten aufgedeckt wurden, bestärken die Annahme, dass europäische Staaten im "Krieg gegen den 'Terror'" als Komplizen der USA fungierten.

logo_stop_tortureTrotz der Beweise schweigen die Regierungen Europas, darunter Polens und Rumäniens, und bestreiten weiterhin jegliche Zusammenarbeit bei den "Überstellungen". Einige, wie die deutschen und italienischen Regierungen, sabotieren gerichtliche und parlamentarische Untersuchungen. Das Verhalten bestimmter Regierungen ist nicht akzeptabel.

Noch schockierender ist das Versagen der höchsten europäischen Entscheidungsgremien, angesichts des himmelschreienden Rechtsbruchs den Mund aufzumachen oder gar einzuschreiten. Sowohl das Ministerkomitee des Europarats wie der Rat der Europäischen Union haben es bislang nicht fertig gebracht, die "Überstellungen", geheime Inhaftierungen und die Mittäterschaft europäischer Regierungen bei diesen Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen. Eine Reaktion des Ministerkomitees auf die Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung und die Vorschläge ihres Generalsekretärs steht noch aus. Diese Empfehlungen streben eine gründliche Untersuchung der Vorfälle an; es soll festgestellt werden, wer sich dafür zu verantworten hat, und sichergestellt werden, dass so etwas nie wieder geschieht. Eine derartige Untätigkeit ist ein Skandal. Sie ist ein Verrat an den Gründungsprinzipien des Europarats.

AI fordert das Ministerkomitee des Europarats auf, dieses wichtige Thema nicht weiter zu ignorieren. Wir bitten unsere Mitglieder und Unterstützer/innen insbesondere, den folgenden Appell an den Vorsitzenden des Ministerkomitees zu schicken. Wir sind der Überzeugung, dass Initiativen auf dieser Ebene als Katalysator dienen könnten, Mitgliedsstaaten zu ermutigen, "Überstellungen" in Zukunft zu verhindern.

Bitte appellieren sie an das Ministerkomitee , dass es
- öffentlich "Überstellungen" (renditions) und geheime Haft veurteilen soll
- Entwürfen von Standards zustimmen soll, wie sie vom Generalsekretär empfohlen wurden, um "renditions" und geheime Haft zu verhindern und um zu gewährleisten, dass sich alle, die in diesen illegalen Praktiken verwickelt sind, vor Gericht zu verantworten haben.

Bis November 2007 hält Serbien den Vorsitz im Rat des Europäischen Ministerkomitees.
Beim Briefeschreiben berücksichtigen Sie bitte die Tips zum Briefeschreiben.
Bitte senden Sie Appelle an
:


Vuk Jeremic
Aussenminister der Republik Serbiens
Vorsitzender des Ministerkomitees des Europarats
Aussenministerium
24-26 Kneza Milosa St.
11000 Belgrad, Serbien
Fax: +381 11 3618-366
Email: msp@smip.sv.gov.yu

und an:

Vorsitzender
Ministerkomitee
Europarat
Avenue de Europe
67075 Strasbourg Cedex
France
Fax: +33 3 88 41 37 77
Email: Simon.Palmer@coe.int (c/o)

- Europe silent on renditions, im online Magazin "The wire" vom Oktober 2007
- Hintergrundinformation: Feine Flüge in die Folter
- - Menschenrechte – Ein Fremdwort bei der „Terrorismusbekämpfung“


 

* Nachrichten von Europa in Kürze

Menschenrechte im "Krieg gegen den 'Terror'"

Die Insel Diego Garcia
The Independent berichtet, dass Andrew Tyrie, konservativer MP, einen Antrag an das Aussenministerium gestellt hat, Anschuldigungen des europäischen Ausschusses zur Untersuchung von Europas Rolle in von den USA im Krieg gegen den Terror verübten Menschenrechtsverletzungen (Marty Report) zu überprüfen. Demnach hat GB Inhaftierung zwangsüberstellter Personen und deren Folterungen auf Diego Garcia ermöglicht. Diego Garcia liegt im Indischen Ozean, ist britisch und an die USA ausgeliehen, die dort einen Militärstuetzpunkt unterhält. Die USA streitet die Vorwürfe ab. GB stützt sich auf entsprechende US-amerikanische Zusicherungen und hat bisher nichts unternommen, die Anschuldigungen zu überprüfen.

- Legal Opinion: Has Britain been complicit in a US torture programme?
Some MPs believe British overseas territories have been used for the torture of terror suspects. von Robert Verkaik
- Marty Report II
- Marty Report I

Ächtung von Folter

Haftbedingungen in Italien für verurteilte Anhänger der Mafia
The Independent berichtet, dass US Richter Sitgraves die Übergabe des verurteilten Mafioso Rosario Gambino, der in den USA eine 22-jährige Haftstrafe wegen Drogenhandels absolviert hat, an Italien verweigert, weil er das "41bis" System für Mafia-Täter, das mögliche lange Zeiten von Isolierhaft erlaubt, als Folter einstuft.
- Fears of torture for Italian gangster von Peter Popham

Das Recht auf freie Meinungsässerung

Rangliste der Redefreiheit
Reporter ohne Grenzen (ROG) hat am 16. Oktober zum sechsten Mal die Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht. Nur zwei G8-Staaten sind unter den ersten 20 der Rangliste: Kanada (18.) und Deutschland (20.). An der Lage in Deutschland hat sich wenig verändert. Erneute Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat, gesetzliche Regelungen und Vorschläge, die den Quellenschutz aushöhlen, Drohungen und Übergriffe gegen Journalisten, die im rechten Milieu recherchieren sowie Einflussnahme auf Redaktionen durch Anzeigenschaltungen haben zu Punkten geführt.
- zitiert aus: Rangliste der Pressefreiheit 2007

Zentral Asien Rundbrief vom 10. Oktober 2007


Einen Strick für Mutabar Tajibaeva ........................................................3
Turkmenistan: Innenminister und Geheimdienstminister entlassen 3
Usbekistan: Regierung duldet keine unabhängigen Kandidaten .........3
Turkmenistan: Begnadigungen ................................................................4
Turkmenistan: Vier religiöse Gefangene amnestiert,
einer demnächst abgeschoben? ................................................................4
Kirgisischer Journalist erhält Asyl in der Schweiz ..................................5
Tadschikistan: 15 Jahre Gefängnis für Journalistenmord ....................5
Letztes Interview mit Abdulkuddus Mirzaev .........................................5
Abduvali Mirzaevs Familie bei Autounfall ums Leben gekommen ......9
Turkmenistan: Boris Shikhmuradov noch am Leben ..........................10

- Rundbrief


Tuesday, October 16, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze

Menschenrechte allgemein

Europarat und Menschenrechte
Das Ministerkomitee trifft sich vom 15. bis 17. Oktober in Straßburg, um die Durchsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verbessern. Anliegen darunter sind die übermäßige Gewaltanwendung von Polizei in Griechenland und ungebührlich langsame Prozessverläfe in Fällen von Individuen gegen Staaten, darunter Österreich, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und die Schweiz.
- fortlaufende Informationen bei coe.int
Unrechtregime unter Franco
The Independent berichtet, daß Spaniens Regierung ein Gesetz verabschieden will, in dem unrechtmäßige Urteile die während der gewaltsamen Diktatur unter Franco gefällt worden waren, für ungültigerklärt werden.
- Spanish 'memory law' reopens deep wounds of Franco era von Elizabeth Nash in Madrid (10 October 2007)

Kinder und Jugendliche im Rechtssystem

Disziplinierung
The Independent berichtet, dass das Justizministerium in GB dem Rat vom Lancashire Safeguarding Children Board folgen und Sicherungsmethoden (restraint techniques) verbieten will, die auf Schmerz abzielen und die laut Untersuchung unter Umstaänden zum Tode führen.

- Review for child restraint methods von Brian Brady (14. Okt. 2007)

Menschenrechtsverletzungen von Oppositionsgruppen

Batasuna-Politiker verhaftet
Die TAZ berichtete, dass Richter Garzón in Spanien die Verhaftung von 17 Batasuna Politikern veranlasst hat. Sie sind beschuldigt, wie die TAZ Garzón zitiert: "in den von ETA geführten terroristischen Komplex integriert" zu sein.
- Haftbefehl gegen 17 Batasuna-Politiker (8. Okt. 2007)
- Führung der Batasuna-Partei verhaftet (6. Okt. 2007)

Menschenrechtsverstöße im "Krieg gegen 'Terror'"

Baha Mousa
The Independent berichtet, dass er ein wichtiges Stück weiter gekommen ist, herauszufinden, was schief ging und wer dafür verantwortlich ist ("what went wrong and who was responsible").
- Lawyers in Basra death case win access to files von John Aston
- siehe auch: A cry for justice from a good man who expected us to protect his son
A report from the man who broke the original story... von Robert Fisk (17 Juni 2007)
>>Die Mitgliedsstaaten des Europarates sollten das Prinzip des unilateralen Präventivkriegs ablehnen, so die Abgeordneten, und die Lehren aus dessen katastrophaler Anwendung in der jüngeren Vergangenheit ziehen. Sie sollten jedoch auch die dringend notwendige Reform des Sicherheitsrates unterstützen, damit dieser in der Lage ist, die ihm ursprünglich zugedachte Rolle zu spielen, und schnell und effizient über die Antworten auf internationale Bedrohungen zu entscheiden.<<
Aus der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung: 1.-5. Oktober

De Menezes
- Officer in De Menezes case tells court: 'We did our best' von James Macintyre
>>Clare Montgomery QC, for the prosecution, asked why, despite Mr McDowell launching the
operation at about 5am, the firearms team had still not arrived at the flats by the time Mr de Menezes, 27, left for work more than four hours later.<<
- Armed police who shot Menezes 'were warned of lethal tactics' von Cahal Milmo (3. Okt. 2007)
The armed police who shot Jean Charles de Menezes were briefed hours beforehand that they would be using "unusual" lethal tactics and would only be deployed if officers on the ground believed they were dealing with a suicide bomber who was "deadly" and "up for it", the Old Bailey heard yesterday.
The team from Scotland Yard's CO19 firearms squad, who were issued with special ammunition designed to kill instantly, allegedly failed to satisfy themselves there had been a "positive identification" of the 27-year-old Brazilian electrician as a potential bomber before he was shot seven times in the head on board a London Underground train the day after the failed attacks on 21 July 2005. [...]


Ächtung von Folter

Anti-Folter-Komitee veröffentlicht Bericht über Irland (10. Okt. 2007)
Europarat - Der Bericht bezieht sich auf Beobachtungen bei einem Besuch vom 2. bis zum 13. Oktober 2006. Es wurden mehrere Vorwürfe von verbaler und körperlicher Misshandlung seitens der Gardai Síochána [Polizei in Irland] erhoben; in einigen Fällen fand das Komitee Verketzungen vor, die mit den Vorwürfen konform gingen. Die Einrichtung einer
Garda Síochána Ombudsman Commission und die fortschreitende Anbringung von CCTV auf Polizeistationen wurde gelobt. Bei den Gefängnissen wurde ein Anstieg an Gewalt unter den Häftlingen vermerkt (Limerick, Mountjoy und St Patrick’s Anstalt). Allerdings hat sich in den Gefängnissen die Gesundheitsfürsorge verbessert. Mehrere Einrichtungen sind nach wie vor überfüllt und es herrschen schlechte Zustände.

In seiner Antwort versprach die Regierung, Misshandlungen durch die Gardai in Zukunft zu unterbinden.
- Report
- Antwort der Regierung

Anti-Folter-Komitee besucht Spanien
Eine Delegation des Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat am 19. September für zwei Wochen Spanien besucht.
- cpt

Abschaffung der Todesstrafe

Frankreich ratifiziert Protokoll zur Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen (10. Okt. 2007)
Frankreich hat heute Protokoll Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert, das die Anwendung der Todesstrafe unter allen Umständen verbietet.
- coe

Flüchtlingselend

Neues Gutachten: Flüchtlingsrechte gelten auch im Mittelmeer (27. Sept. 2007)
Europa schottet sich auch mit illegalen Mitteln gegen Flüchtlinge und Einwanderer ab. Die von der EU-Agentur FRONTEX konzipierte Flüchtlingsabwehr missachtet menschen- und
flüchtlingsrechtliche Verpflichtungen der EU-Staaten. Zu diesem Ergebnis kommt ein von
amnesty international, der Stiftung Pro Asyl und dem Forum Menschenrechte in Auftrag gegebenes Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das
die Organisationen heute anlässlich des bundesweiten Tags des Flüchtlings vorgestellt haben. [...]
- vollständiger AI Pressebericht
- Gutachten




Monday, October 01, 2007

 

* FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

22. Teil in der Serie
(vom Original "France: The search for justice", AI Index EUR: 21/001/2005
übersetzt von Georg Warning; siehe 23. August 2007; Anfang unter: Februar)

3.2. Etienne Leborgne
Die offenkundig seltsame Situation, die dem oben zitierten Beobachter auffiel, nämlich dass der Staatsanwalt anscheinend die Rolle der Verteidigung übernahm, kennzeichnete auch den Fall des Taxifahrers aus Guadeloupe, der im Folgenden beschrieben wird. Es ist in Frankreich zwar nicht unüblich, dass Staatsanwälte gleichsam als Verteidiger von Polizeibeamten plädieren und entweder deren Freispruch oder eine rein nominelle Verurteilung fordern. Die Rolle des Staatsanwalts in solchen Fälle wirft dann aber die Frage nach der „Waffengleichheit“ zwischen Strafverfolgung und Verteidigung vor Gericht auf. Dieses Prinzip, ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf einen fairen Prozess, bedeutet, dass beide Prozessparteien so behandelt werden, dass während des Prozesses eine gleiche verfahrenstechnische Stellung sichergestellt ist und beide ihre Positionen gleichberechtigt darlegen können. Das heißt, dass Prozesse so geführt werden müssen, dass keine Seite gegenüber der Gegenseite wesentlich benachteiligt ist. 44

Am 6. Januar 1996 wurde Etienne Leborgne, ein Pariser Taxifahrer, der in Guadeloupe geboren ist, am Flughafen von Roissy von Polizeibeamten angehalten, die seinen Fahrtenschreiber kontrollieren wollten, aus dem erkennbar ist, wieviel Stunden täglich ein Fahrer gearbeitet hat. Beim Versuch, der Kontrolle zu entkommen, verletzte er einen Polizeibeamten, dessen Arm an der Tür verhakt war. Am 9. Januar blockierte ein Team von vier Beamten sein Fahrzeug bei Saint-Ouen (Seine-Saint-Denis), so dass er nicht mehr weiterfahren konnte. Drei Beamte stiegen aus dem Streifenwagen. Zwei rannten auf sein Auto zu und riefen “Polizei!” Etienne Leborgne, weigerte sich, aus seinem Taxi auszusteigen. Darauf trat ein Beamter das Seitenfenster auf der Fahrerseite ein und packet diesen im Nacken. Plötzlich überkam einen zweiten Beamten die Angst, dass der Fahrer „etwas in der Tasche habe“, und er gab zwei Schüsse auf den Boden ab. Dann schoss er gezielt ein drittes Mal aus einer Distanz von 10 Zentimeter durch das eingeschlagene Fenster. Die Kugel durchschlug das Gesicht von Etienne Leborgne. Der Beamte behauptete, er habe aus Notwehr (légitime défense) gehandelt, weil er in der Hand einen “schwarzen Gegenstand” gesehen und befürchtet habe, es handle sich um eine Schusswaffe. Es scheint sich dabei um eine kleine Tränengasbombe (bombe lacrymogène) gehandelt zu haben.

Die Mutter von Etienne Leborgne erstattete Anzeige gegen die Polizisten wegen Mordes und Verschwörung zum Mord, der Staatsanwalt beantragte, den Fall zu archivieren, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien (non-lieu). Er argumentierte, dass die tödliche Schussabgabe im Nachhinein zwar als unverhältnismäßig zum „Angriff“ des Fahrers erscheinen mag, dass aber der vorhergehende Vorfall bei Roissy (als ein Beamter bei seinem Fluchtversuch verletzt wurde), und die Hektik des Augenblicks zu berücksichtigen seien, in dem der Beamte legitimerweise gefürchtet haben mochte, dass er in großer Gefahr sei. Der Untersuchungsrichter war anderer Meinung. Er war darüber besorgt, dass Etienne Leborgne aus allernächster Nähe erschossen worden war. Er war auch darüber besorgt, dass der „schwarze Gegenstand“ in der Hand des Taxifahrers (die kleine Tränengasbombe) laut Angaben von Augenzeugen, darunter auch der Aussage eines anderen Beamten, keiner Schusswaffe glich. Die chambre d’accusation des Berufungsgerichts von Paris entschied im März 1998, dass genügend Beweis vorlägen, um den Beamten wegen Totschlags vor ein Schöffengericht zu stellen. In seiner Entscheidung erklärte diese Kammer des Berufungsgerichts, dass es unbestreitbar (“incontestable”) sei, dass die Schussabgabe des Beamten aus nächster Nähe unverhältnismäßig gewesen sei, und dass man selbst unter Berücksichtigung der Argumente des Staatsanwalts nicht glaubwürdig behaupten könne, dass das Leben des Beamten gefährdet gewesen sei.

Trotz dieser klar geäußerten Rechtsauffassung beantragte der Staatsanwalt (avocat général) Freispruch für den Polizeibeamten. Laut Berichten soll er gemeint haben, dass Etienne Leborgne eine selbstmörderische Haltung an den Tag gelegt habe, als er sich weigerte, den polizeilichen Anordnungen nachzukommen, und dass der Beamte daher berechtigt gewesen sei, auf ihn zu schießen. Die Schöffen stimmten dem Staatsanwalt zu und der Beamte wurde freigesprochen. Trotz des höchst kontroversen Urteils konnte die Zivilpartei in diesem Fall keine Berufung gegen den Freispruch einlegen, und könnte es nach geltender Rechtslage auch jetzt nicht. Zu bedenken gab auch, dass die Staatsanwaltschaft, als sie die Archivierung des Falls beantragte, mit dem ersten “Vorfall” bei Roissy argumentierte, obwohl nicht davon auszugehen war, dass der Todesschütze ursprünglich davon wusste.
44 Siehe beispielsweise die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Delcourt v. Belgium., Series A, No. 11 (1970); Brandstetter v. Austria, Series A, No. 211 (1991).

* Nachrichten von Europa in Kürze

Flüchtlingselend

>>Grenzkontrollen seien für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung von besonderer Bedeutung, argumentiert das Parlament. Die Grenzkontrolle müsse unter menschenwürdigen Aufnahmebedingungen für die Personen und unter voller Achtung des Rechts auf Asyl und internationalen Schutz erfolgen, einschließlich, neben anderen Aspekten, des Grundsatzes und der Praxis der Nichtabschiebung. Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX spiele in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle und müsse daher mit den notwendigen Mitteln für ihre Tätigkeit ausgestattet werden.

Die Mitgliedstaaten fordert das EP auf, "gemeinsame Patrouillen" zu schaffen, die das ganze Jahr hindurch zur Grenzkontrolle eingesetzt und von Frontex koordiniert werden und in allen Regionen mit erhöhtem Risiko und besonders an den Seegrenzen operieren. [...]

Die Rettung von Leben, der Respekt der menschlichen Würde und ein solider Rechtsrahmen sollten die Prinzipien einer EU-Zuwanderungspolitik sein, so Joseph DAUL (EVP-ED, FR). Es gebe ca. 10-15 Millionen illegale Immigranten in der EU und der Umgang mit diesen müsste auf dem Respekt der Menschenwürde beruhen. Massenregularisierung könne jedoch nicht die Antwort sein.<<
- in:
Sichere Grenzen und integrierte Verwaltung der Außengrenzen
Europäisches Parlament für Einführung einer EU-Arbeitserlaubnis („Blue Card“)
Einwanderung - 26-09-2007

-siehe dazu auch in der taz:
>>EU-Patrouillen drängen afrikanische Bootsflüchtlinge schon auf dem Meer ab. Ein Gutachten von Pro Asyl und amnesty ergibt, dass dies gegen das Völkerrecht verstößt. <<
EU-Flüchtlinge - Grenzpatrouillen laut Juristen illegal von Christian Rath, 27. September 2007
-
The Independent: The callous hypocrisy of our asylum system von Nigel Morris and Ben Russell, 2. Oktober 2007

Menschenrechte im "Krieg gegen 'Terror'"

candleEurope silent on renditions

European governments take no action despite overwhelming evidence of complicity in illegal secret transfers of prisoners.

European states have aided and abetted the US-led renditions programme. They have allowed or assisted the illegal and secret transfer of people to countries where they faced torture, arbitrary detention and enforced disappearance.

This flies in the face of Europe’s commitment to respect human rights and the rule of law.

Evidence of complicity has been documented in inquiries conducted by Senator Dick Marty of the Council of Europe’s Parliamentary Assembly, by the Assembly’s Secretary General, Terry Davis, and by the European Parliament. These inquiries indicate that a number of European states co-operated with rendition flights and that dozens of terror suspects were held in secret US-run detention centres in Poland and Romania. Further information unearthed by AI, other NGOs and journalists has strengthened the case that European states have been partners in crime with the USA in the "war on terror".

Regardless of the evidence, governments in Europe, including Poland and Romania, continue to deny their involvement in renditions. Some, including the Italian and German governments, are undermining judicial and parliamentary inquiries. The behaviour of individual governments is unacceptable.

Even more shocking is the failure of Europe’s highest decision-making bodies to speak out, let alone take action, in the face of blatant illegality. Both the Committee of Ministers of the Council of Europe and the Council of the European Union have failed to condemn renditions, secret detentions, and the complicity of European governments in these human rights violations. The Committee of Ministers has yet to take any action in response to the recommendations of the Parliamentary Assembly and the proposals of its Secretary General. These recommendations are aimed at investigating what has happened, establishing accountability and ensuring that it never happens again. Such inaction is scandalous. It is a betrayal of the founding principles of the Council of Europe.

AI is calling on the Committee of Ministers of the Council of Europe to stop ignoring this critical issue. In particular, we are asking our members and supporters to send the following appeal to the Chair of the Committee of Ministers, in the belief that steps at this level would be a catalyst, encouraging member states to prevent renditions.

Please call on the Committee of Ministers to
Serbia holds the Chair of the Council of Europe Committee of Ministers until November 2007. So please send appeals to:

Vuk Jeremic
Minister of Foreign Affairs, Republic of Serbia
Chairperson, Committee of Ministers of the Council of Europe
Ministry of Foreign Affairs
24-26 Kneza Milosa St.
11000 Belgrade, Serbia
Fax: +381 11 3618-366
Email: msp@smip.sv.gov.yu

- aus: The wire October 2007 AI Index: NWS 21/009/2007
- - -
Krieg in unseren Zeiten
>>The brutal nature of life on the front line in Iraq is illustrated by a recent case of a 24-year-old private who served there for six months. During interviews with Combat Stress staff, he described how a high-explosive round fired from a 30mm cannon went straight through an enemy soldier's chest and "obliterated" him.<<
-aus: The Independent The hidden scars of war: one in 10 British combat veterans suffers from mental illness von Andrew Johnson and Jonathan Owen, 30 September 2007

Tötlicher Gebrauch von Schusswaffen bei der Polizei

The Times berichtet vom Verfahren im Old Bailey Gericht im Tod von Jean Charles de Menezes, der am 22. Juli 2005 als vermeintlicher Terrorist mit sieben Schüssen in den Kopf in der Londoner U-Bahn von Polizisten,m die ihm gefolgt waren, getötet worden war. Hauptanklägerin Clare Montgomery, QC erhob schwere Vorwürfe von grunds&aumltzlichen Versagen (fundamental failures) gegen die Metropolitan police, das von Zimmer 1600 des New Scotland Yard aus die Aktion gegen de Menezes leitete

- Commanders 'couldn't concentrate amid chaos in control room von Sean O’Neill
- siehe auch The Guardian: Series of errors by police led to tube shooting, court told von Matthew Taylor
- The Independent: Court told of chaos and confusion that led to Menezes shooting
von Cahal Milmo
- The New York Times: London Police ‘Failures’ in Shooting von Jane Perlez

Bekämpfung von Rassismus bei der Polizeiarbeit

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) präsentiert am Donnerstag, 4. Oktober, in Paris eine Empfehlung zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung bei der Polizeiarbeit.
Press release - 633(2007) (eng)



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