Tuesday, March 27, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

9. Teil in der Serie (siehe 24. März)
2. Kritik von Amnesty International an faktischer Straflosigkeit in Frankreich
2.1. Zunahme von Beschwerden wegen Polizeigewalt und -rassismus
Amnesty International arbeitet seit vielen Jahren zu Tötungen durch Polizisten, Todesfällen im Polizeigewahrsam und Fällen von Folter und Misshandlung in Frankreich. In den meisten Fällen, von denen Amnesty International Kenntnis erhalten hat, handelt es sich bei den Opfern um junge, männliche Nord- oder Schwarzafrikaner. In den letzten Jahren waren erfreulicherweise nicht mehr so viel Fälle leichtfertigen, tödlichen Einsatzes von Schusswaffen unter umstrittenen Umständen durch Polizeibeamte oder Gendarmen zu verzeichnen. Dagegen ist die Zahl von Beschwerden wegen Misshandlungen durch Polizeibeamte, die oft von in Gewalt ausartenden Identitätskontrollen der Polizei ausgehen, gestiegen. Die Zunahme solcher Beschwerden hat auf Behördenseite nicht zum Eingeständnis geführt, dass bislang nicht angemessen auf diese Fälle reagiert wurde, und bis heute hat die französische Regierung keinen wirksamen, unabhängigen Mechanismus geschaffen, um sicher zu stellen, dass Rechtsverstöße durch Polizeibeamte von Anfang an zügig, gründlich und unparteilich untersucht werden.

Eine Studie11 über rassische Diskriminierung in der französischen Polizei liefert eine klassische Beschreibung der Art von Fällen, um die es hier geht – und zwar am Beispiel von Faudil Benllili. Im Oktober 1999 war Faudil Benllili, ein Jugendsozialarbeiter, der im Rathaus von La Courneuve arbeitete, zusammen mit seinem Freund "Mimoun" im Auto unterwegs, als sie mit einer Straßenbahn zusammenstießen. Es handelte sich um keinen schweren Unfall - die Straßenbahn hielt nicht einmal an, aber die beiden jungen Männer stiegen aus dem Auto, um den Schaden zu besichtigen. Es trafen drei Beamte der CRS ein. Sie hatten den Verdacht, dass es sich um ein gestohlenes Auto handle und durchsuchten es mit ruppigen Manieren. Dabei brach der Schlüssel im Zündschloss ab. Die Beamten sahen sich wohl in ihrem Verdacht bestätigt. An diesem Punkt wurden sie auch gegen die beiden jungen Männer handgreiflich. Sie setzten den Polizeiknüppel gegen Faudil Benllili und seinen Begleiter ein, dass die Schläge nur so auf sie niederhagelten, und Mimoun fiel auf die Knie. Faudil Benllili protestierte, dass die Polizei kein Recht habe, so vorzugehen, und sagte, dass er im Rathaus arbeite. Laut Berichten wurden sie darauf rassistisch beleidigt ("sale race de merde" – dreckige Scheißrasse) und auf die Polizeiwache von La Courneuve gebracht. Nach vier Stunden Haft im Polizeigewahrsam wurden sie zur ärztlichen Behandlung ins Krankenhaus gebracht und dann wieder auf die Wache zurück, wo sie weitere 20 Stunden in Haft verbrachten. Während dieser Zeit stieg wohl bei den Beamten noch der alte Groll aus Zeiten des Algerienkrieges hoch. Infolge seiner Verletzungen wurde Faudil Benllili sechs Tage für arbeitsunfähig erklärt. Auf der Polizeiwache, auf der Kollegen der CRS-Beamten arbeiteten, konnte er keine Anzeige erstatten. Einer der Beamten erklärte ihm, dass seine Anzeige von der Polizei nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet würde, es hätte gar keinen Sinn, es zu versuchen. Darauf erstattete er mit Unterstützung seines Arbeitgebers Anzeige beim Staatsanwalt. Laut dem Bericht war der Fall 2002 noch immer anhängig, zwischenzeitlich waren juristische Unterlagen jedoch verloren geganen und die ärztlichen Berichte verschwunden. Und die Polizeibeamten erstatteten obendrein noch eine Gegenanzeige wegen „Anstiftung zum Widerstand“ ("provocation à la rébellion").

Ebenfalls im Jahr 2002 führten zwei Vereinigungen, das Syndicat de la Magistrature (Verband der Richter) und das Syndicat des avocats de France (Anwaltsverband) in Zusammenarbeit mit einer großen nicht-staatlichen Organisation, der Ligue des Droits de l’Homme (Liga für Menschenrechte - LDH) eine Untersuchung durch, die zu beunruhigenden Schlüssen kam. Die Untersuchung ergab, dass von der Polizei veranlasste Strafermittlungen wegen Beamtenbeleidigung oder Widerstand bei der Festnahme (outrage ou rébellion) zwischen 1996 und 2000 um 27.92 Prozent zugenommen hätten, und dass auch die Zahl der Vorwürfe wegen Gewaltanwendung durch die Polizei gestiegen seien.

Im Mai 2004 veröffentlichte die CNDS ihren Jahresbericht für 2003, der einen steilen Anstieg von Beschwerden über Beleidigungen und Gewaltanwendung durch die Polizei verzeichnete. Die CNDS untersuchte 70 Beschwerden, verglichen mit 40 im Vorjahr, und drängte auf umfassende Strukturreformen bei den Ermittlungsinstanzen der Polizei. Bestätigt wurde der Trend auch durch eine Zunahme – nun schon im sechsten aufeinanderfolgenden Jahr - der Beschwerden um 9,10 % bei der IGS und der Inspection générale de la police nationale (IGPN), die für Frankreich außer Paris zuständig ist. Die Zahlen stammen von der Polizei. Neue polizeiliche Statistiken für das Jahr 2004, die im Februar 2005 veröffentlicht wurden, sprechen von einer beträchtlichen Zunahme von bei der IGS und der IGPN eingegangen Beschwerden gegen Gewaltanwendung durch die Polizei um 18,5% gegenüber dem Vorjahr. Der Zuwachs war auch von einem Anstieg disziplinarischer Maßnahmen gegen Polizeibeamte begleitet. Über 80 Prozent der Beschwerden wegen missbräuchlicher Polizeigewalt betrafen die Pariser Region. Angesichts dieses gewaltigen Anstiegs an Beschwerden schrieb der Innenminister am 25. Februar an alle Polizeibeamten, um sie daran zu erinnern, dass sie bei der Anwendung von Gewalt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit achten und Strenge bei der Durchsetzung des Gesetzes mit den Grundsätzen der Humanität und des gleichen Respekts für alle vereinbaren müssten. Was letzteren betrifft, erklärte der derzeitige Präsident der CNDS, Pierre Truche, ein ehemaliger Vorsitzender des Kassationsgerichts, laut Berichten, dass ihn die “statistische Häufigkeit ” von Beschwerden durch Menschen mit fremden Namen überrasche. Mit dieser “statistischen Häufigkeit ” würden sich künftige Berichte noch zu beschäftigen haben.

Im Oktober 2004 kritisierte er in einem Sonderbericht mit starken Worten den “perversen rassistischen Angriff”, als in der Silvesternacht vom 31. Dezember 2003 auf den 1. Januar 2004 30 Polizeibeamte ein Kabylen-Cafe12 in Paris stürmten. Der Fall wird weiter unten näher beschrieben (Abschnitt 5.8.).

Im Dezember 2004 wurde von der nationalen Kommission Citoyens-Justice-Police (Bürger – Justiz – Polizei), die sich aus der LDH, den beiden oben genannten Verbänden und einer weiteren nicht-staatlichen französischen Organisationen namens Mouvement contre le Racisme et pour l’Amitié entre les Peuples (Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft - MRAP) zusammensetzt ebenfalls ein Bericht veröffentlicht, der sich mit zahlreichen Fällen rassistischer oder damit zusammenhängender Gewalt befasst.13 Der Bericht zeigte, dass in 60 Prozent der untersuchten Fälle die Opfer ausländische Staatsbürger waren; die restlichen 40 Prozent besaßen zwar französische Staatsbürgerschaft, waren aber bis auf wenige Ausnahmen ausländischer Herkunft, wie ihr Name oder ihr Aussehen nahelegte.14 MRAP hatte schon früher einen Anstieg gewaltsamer Vorfälle speziell im Kontext von Personalienkontrollen und im Polizeigewahrsam festgestellt, ebenso wie die häufige Erstattung von Anzeigen wegen Beleidung durch Wort oder Geste (frz. outrage) oder wegen Widerstands (rébellion), die oft in Form von Gegenanzeigen gegen Personen erfolgte, die selbst Anzeige erstatten wollten.15

Amnesty International ist darüber besorgt, dass Polizeibeamte und Gendarmen diese Anzeigen als Rechtfertigung oder Ausrede für Personenkontrollen benutzen, die gewaltsam ausarten, und zwar oft infolge ihres eigenen aggressiven oder beleidigenden Verhaltens, wie in dem bekannt gewordenen Fall von Hayat Khammal bei Ris-Orangis (5.6.).

Die Kommission Citoyens-Justice-Police wies in ihrem Bericht auch auf die bedenkliche Tatsache hin, dass das Arbeitspensum der CNDS zwar ansteigt, ihre finanziellen Mittel jedoch reduziert werden. Die Kommission merkte zudem an, dass die CNDS nur selten Fälle an die Staatsanwaltschaft weiter verweist und dass dies nur in einem Fall zu Disziplinarstrafen gegen einen Beamten geführt habe; die allgemeinen Empfehlungen der CNDS hätten selten eine Wirkung.

In ihrem dritten Bericht über Frankreich, der am 15. Februar 2005 veröffentlicht wurde, äußerte sich die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats auch besorgt darüber, dass die Personenkontrollen Menschen anderer Hautfarbe oder Aussehens bevorzugt treffen.16 Sie hielt fest, dass nach wie vor Beschwerden über diskriminierende Identitätskontrollen erhoben werden. ECRI war "besonders beunruhigt über Informationen von nicht-staatlichen Organisationen, wonach jemand, der Anzeige gegen Beamte mit Polizeibefugnissen erstattet, fast automatisch mit einer Gegenanzeige wegen Beamtenbeleidigung oder böswilliger Beschuldigung konfrontiert wird, wodurch die Stellung des zivilen Klägers geschwächt wird".

ECRI äußerte auch Zweifel an der vollen Wirksamkeit bestimmter Gesetze, die bislang zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung in Frankreich eingeführt wurden. Im Februar 2003 war für bestimmte, nachweislich rassistisch motivierte Gewalttaten mit dem sogenannten Gesetz "Loi Lellouche" ein strafverschärfendes Element bei der Urteilsfindung eingeführt worden.17 Die Wirksamkeit solcher Gesetze, um gegen rassistische Gewalt durch Polizeibeamte anzugehen dürfte bislang sehr beschränkt sein. So hat Amnesty International bislang trotz der häufigen Vorwürfe rassistisch motivierter Gewalt noch von keinem Urteil gegen einen Polizisten erfahren, bei dem solche strafverschärfende Faktoren berücksichtigt wurden.

ECRI stellte in ihrem dritten Bericht fest, dass: "Beamte mit Polizeibefugnissen und Angehörige des Justizdienstes nicht immer genug auf rassistische Aspekte von Straftaten achten und die Opfer nicht immer ausreichend über die einzuhaltenden Formalitäten informiert und unterstützt werden." ECRI empfahl, dass: "die französischen Behörden die Vorschriften über die Berücksichtigung rassistischer Motive als strafverschärfender Faktor bei bestimmten Delikten berücksichtigen und die nötigen Schritte unternehmen, um die Einhaltung dieser neuen Bestimmungen zu kontrollieren." In ihrem Bericht von 2005 stellte ECRI erneut beunruhigt fest, dass "Beschwerden über Misshandlungen durch Beamte mit Polizeibefugnissen gegen Angehörige von Minderheiten anhalten. Die Beschwerden betreffen Polizisten und Gendarmen, Gefängnispersonal und Personal, das in den ZAPI (zones d’attente des personnes en instance; Wartezonen für Personen, deren rechtlicher Status noch geklärt wird, ähnlich den Einrichtungen des BGS auf bundesdeutschen Flughäfen) arbeitet. Die Vorwürfe umfassen körperliche Gewalt, Demütigung, verbale rassistische Beleidigung und Rassendiskriminierung." ECRI empfahl die Verabschiedung von Maßnahmen, "um polizeilichem Fehlverhalten, darunter auch der Misshandlung von Minderheiten, ein Ende zu setzen."

Die Zunahme von Fällen missbräuchlicher Polizeigewalt, oft gegen Menschen mit anderem Aussehen oder Hautfarbe, geht Hand in Hand mit der Wahrnehmung einer allgemeinen Zunahme der Kriminalität, begleitet von öffentlichen Forderungen nach einer sicherheitsorientierten Politik der Bekämpfung von Kriminalität oder mutmaßlicher Kriminalität.

Nach Auffassung eines Polizeibeamten, der über die Herausforderungen geschrieben hat, denen sich eine zunehmend "unsichere" Gesellschaft gegenüber sieht, erlebt das städtische Umfeld eine "unaufhaltsame Gewaltspirale". Nach ihm sind die elementaren öffentlichen Dienstleistungen dem Risiko "aller Arten von Angriffen" ausgesetzt, "einzig aus dem Grund, weil sie in den Augen der Angreifer den Staat repräsentieren".18 Der Autor weist darauf hin, dass sich ein Gutteil der steigenden Spannungen zwischen französischen Polizisten und der Jugend in den sozialen Brennpunkten – den "quartiers sensibles", die vorwiegend von französischen Staatsbürgern oder Bürgern nord- und schwarzafrikanischer Herkunft bewohnt werden – parallel zum Wachstum der in der Nachkriegszeit ausufernden banlieues oder cités entwickelt hat, städtischen Agglomerationen, die um die Stadtzentren herum entstanden und von Langzeitarbeitslosigkeit und Armut geprägt sind, und dies in unmittelbarer Nähe zu den Tempeln des Konsums, den riesigen Supermärkten mit ihren großen Parkplätzen. Geparkte Fahrzeuge sind verlockende Objekte für die Kleinkriminalität, die sich in der Verbrennung von Autos oder "rodéos" mit gestohlenen Autos ausdrückt – gerade solche Situationen waren der Ausgangspunkt für weiter unten beschriebene Fälle. Der Autor spricht deshalb von der Notwendigkeit, die quartiers "zurückzuerobern".

Die Häufigkeit von Beschwerden Personen ausländischer Herkunft ist zumindest teilweise auf das Vorgehen der Polizei zurückzuführen, etwa auf diskriminierende Personenkontrollen in den "quartiers sensibles", die in Gewalt ausarten. Dabei ist nicht zu bestreiten, dass Polizeibeamte, die in solchen Gebieten eingesetzt werden, in die sich Staatsvertreter ungern vorwagen – sogenannte no-go areas, massiven Problemen und Stressfaktoren ausgesetzt sind. Begriffe wie "Rückeroberung" scheinen von Angehörigen polizeilicher Einsatzkommandos aber mitunter etwas zu wörtlich verstanden werden, die sich selbst als Teil einer in Gefechte mit dem Gegner verwickelte Truppe ansehen und für die die quartiers der Kriegsschauplatz sind. Für die Polizei wie auch für viele Bürger bezieht sich der Begriff "Straflosigkeit" auf die quartiers. Gemeint ist damit, dass meist jugendliche Straftäter Straftaten oder Verbrechen ohne Furcht vor Entdeckung begehen können. Das Gefühl, dass die Polizei zur "Rückeroberung" und zum Kampf gegen die Straflosigkeit ansetzt, erschwert bei vielen Beamten die Einsicht, dass auch sie von der Straflosigkeit profitieren, wenn sie die Grenze überschreiten und ihre eigenen Verhaltensnormen ignorieren.

11 “La sensibilisation aux discrimination dans la police,” eine Studie von der Arbeitsgruppe GELD (groupe d’études et de lutte contre les discriminations), 2002

12
Kabyle: Bezeichnung für Amazigh (Berber) in Nordafrika:

13Citoyens-Justice-Police: "Commission nationale sur les rapports entre les citoyens et les forces de sécurité, sur le contrôle et le traitement de ces rapports par l’institution judiciare, Rapport d’activité de juillet 2002 à juin 2004". (Rechenschaftsbericht für den Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2004)


14
Justice, no. 174, March 2003, "Des contrôles policiers abusifs."

15
Outrage (Beleidigung) durch Gesten lässt sich definieren mit Körperbewegungen, die "klar eine Verachtung oder Geringschätzung der Person äußern, an die sie sich richtet". Outrage (Beleidigung) durch Worte wird definiert als jegliche verbale Äußerung, die die moralische Autorität einer Person angreift und die Achtung, die der Ausübung ihres Amtes gebührt, schmälert. Nach Artikel 433-5 des Strafgesetzbuchs stellt outrage (Beleidigung) gegen eine/n "Amtsträger/in" eine spezielle Straftat (délit) dar, die strenger bestraft wird als die Beleidigung eines "gewöhnlichen" Bürgers. Sie kann sogar mit Gefängnis bestraft werden.

16
ECRI, Dritter Bericht über Frankreich, verabschiedet am 25. Juni 2004, CRI (2005) 3.

17Gesetz Nr. 2003-88 vom 3. Februar 2003 zur Verschärfung von Strafen, um rassistische, antisemitische oder ausländerfeindliche Rechtsverstöße zu ahnden, veröffentlicht im Journal officiel (JO) Nr. 29 vom 4. Februar 2003. Ein früheres Gesetz vom 1. Juli 1972 ("Gesetz Pleven") stellte die "Anstachelng zu" rassischer Diskriminierung, Rassenhass und –gewalt unter Strafe und erhöhte die Strafen für rassische Verleumdung oder Beleidigung.

18Richard Bousquet, Insécurité, Nouveaux Enjeux, 1999. His comments are still relevant.

Saturday, March 24, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

8. Teil in der Serie (siehe 11. März)
1.2.3. Unabhängige Aufsichtsinstanzen
Nach einer Reihe umstrittener Schusswaffeneinsätze der Polizei wurde mit Gesetz vom 6. Juni 2000 eine unabhängige Aufsichtsinstanz über Polizei und Gefängnisse geschaffen – die Commission nationale de déontologie de la sécurité (Nationale Kommission für Deontologie (Ethik) in Sicherheitsfragen, CNDS), die am 14. Januar 2001 ihre Arbeit aufnahm 9

Sie kann Vorwürfe von Machtmissbrauch durch Polizisten und andere Beamte untersuchen und Opfer, Zeugen und Beschuldigte, darunter auch Polizeibeamte, vernehmen. Sie kann zwar keine eigenen disziplinarischen oder strafrechtlichen Maßnahmen einleiten, darf jedoch Empfehlungen aussprechen und muss den Staatsanwalt informieren, wenn sie ein bestimmtes Vorgehen als Straftat einstuft.


Personen, die ethikwidriges Handeln durch Beamte mit Polizeibefugnissen erlitten oder beobachtet haben, können mit Beschwerden an die CNDS gelangen. Allerdings können sie diese nicht direkt bei der CNDS einreichen, sondern nur über den Premierminister, den Ombusmann/die Ombudsfrau für Minderjährige, ein Mitglied des Senats oder der Nationalversammlung.


Amnesty International ist besorgt, dass Einzelpersonen sich mit ihrer Beschwerde nicht direkt an die CNDS wenden können und die jetzige Bestimmung, sie über ein Parlamentsmmitglied einzureichen, zu beträchtlichen Verzögerungen bei der Untersuchung der Beschwerde führen kann. Die CNDS veröffentlicht sowohl Berichte über spezifische Fälle als auch einen Jahresbericht. 10

9 Gesetz 2000-494 vom 6. Juni 2000
10 Hier sollte darauf hingewiesen werden, dass sich die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem dritten Bericht über Frankreich, der im Februar 2005 veröffentlicht wurde, sehr für eine “Erweiterung der Befugnisse der Nationalen Kommission für Ethik in Sicherheitsfragen” und einen “erleichterten Zugang zu ihr für die Öffentlichkeit” ausgesprochen hat. “Sie fordert diese Instanz auf, bei den eingereichten Fällen ihr besonderes Augenmerk auf mögliche Elemente von Rassismus oder rassischer Diskriminierung zu richten.”


Sunday, March 11, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

7. Teil in der Serie (siehe 4. März)
1.2. Polizei und polizeiliche Kontrollmechanismen
Der französische Gesetzesvollzug obliegt traditionell der zivilen Nationalpolizei unter der Kontrolle des Innenministers und der gendarmerie nationale, die dem Verteidigungsminister untersteht und neben dem Heer, der Marine und der Luftwaffe als fester Bestandteil des Militärs gilt. Gendarmen können in ziviler wie in militärischer Funktion eingesetzt werden. Die Nationalpolizei ist vorwiegend in den Städten und städtischen Agglomerationen tätig, während die Gendarmen, die auf die Maréchaussée, einer im 16. Jh. geschaffenen Militäreinheit zurückgehen, über ganz Frankreich verteilt und vorwiegend in ländlichen oder erst seit kurzem urbanisierten Gebieten konzentriert sind. Ihre Satzung, die durch das Gesetz vom 28. Germinal des Jahres VI (17 April 1798), verabschiedet wurde, ist noch in Kraft.

Die Nationalpolizei wurde durch ein Gesetz vom 9. Juli 1966 geschaffen. Sie umfasst eine Reihe von Spezialeinheiten wie die PAF (Police aux frontières - Grenzschutz), die in Grenzbereichen, darunter auch an Flughäfen, tätig ist; die UNESI (Nationale Begleitschutz-, Unterstützungs- und Einsatztruppe), die z.B. Abschiebungen eskortiert; und Spezialeinsatzkräfte bzw. “Anti-Terror”-Einheiten. Eine Sondereinheit, die hier zu nennen ist, sind die BAC (Brigades Anti-Criminalité), die Brigaden zur Kriminalitätsbekämpfung. Sie werden gegen „Mittel- und Kleinkriminalität“ (“la petite et la moyenne délinquance”) eingesetzt. Die BAC geraten oft in den sozialen Brennpunkten der Städte, den Vororten oder städtischen Agglomerationen mit jungen Menschen in Konflikt, und haben seit den 1980ern einen zweifelhaften Ruf erworben. Eine weitere Sondereinheit zur Bekämpfung von Unruhen ist die CRS (Compagnies républicaines de sécurité). Die Abteilungen der Justizpolizei unter dem Dach der Direction Régionale de la Police Judiciaire (DRPJ - Regionaldirektion der Justizpolizei), dienen der Justiz als Hilfskraft. Sie sind aber auch bei der Verhütung und Verfolgung des organisierten Verbrechens wie Drogen- oder Menschenhandel, Betrug und “Terrorismus” im Einsatz. Der Aufgabenbereich der Justizpolizei wurde in den letzten Bereich um die Bekämpfung städtischer Gewalt erweitert.
Das französische Strafgesetzbuch sieht Sanktionen für Polizeibeamte vor, die illegaler Akte für schuldig befunden wurden. Auch haben die Polizeikräfte ihre eigenen Verhaltenskodizes, die für die Einhaltung ethischer Normen und insbesondere der französischen Menschenrechtserklärung, der französischen Verfassung und internationaler Gesetze und Abkommen im polizeilichen Handeln sorgen sollen. Zu den wichtigsten Artikeln des Verhaltenskodex der Nationalpolizei, der auf ein Dekret vom 18. März 1986 zurückgeht und jedem Polizeibeamten ausgehändigt wird, gehören:
Strafrechtliche und disziplinarische Ermittlungen gegen die Polizei werden von einer Spezialeinheit innerhalb der Nationalpolizei ausgeführt, der Inspection Générale de la Police Nationale (IGPN), die im Oktober 1986 geschaffen wurde. Sie deckt das gesamte französische Territorium mit Ausnahme von Paris ab, wo das entsprechende Gremium Inspection générale des services (IGS) heißt. Einzelpersonen können direkt gegenüber Polizeibeamten Anzeige erstatten. Die Gendarmerie nationale hat eine vergleichbare interne Aufsichtsinstanz, die Inspection de la Gendarmerie Nationale. Interne polizeiliche Ermittlungen können mehrere Monate dauern. Die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen werden dann an den Staatsanwalt weitergeleitet. Dieser entscheidet, ob rechtliche Maßnahmen in Form einer Anzeige an einen Ermittlungsrichter zu ergreifen sind.
Schon 1997 hat das UN- Menschenrechtskomitee (der ‚Ausschuss‘) in seinen abschließenden Bemerkungen zum dritten periodischen Bericht Frankreichs über die Umsetzung des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) seine ernsten Bedenken über die Zahl und Schwere der Vorwürfe seitens festgenommener und anderer, in Konflikt mit den Beamten geratener Personen geäußert, die bei ihm wegen Misshandlungen durch Beamte mit Polizeibefugnissen eingegangen waren. Es zeigte sich besorgt, dass „in den meisten Fällen Beschwerden gegen solche Misshandlungen von den internen Instanzen der Polizei und der Gendarmerie nationale gar nicht oder nur höchst dürftig untersucht werden, was zu einer faktischen Straflosigkeit führt”.8

Das Versagen der IGS, seine Aufgabe als „Polizei der Polizei“ wirksam und unparteiisch zu erfüllen, war auch im Oktober 2004 noch aktuell. Damals wurde die IGS vom Präsidenten der CNDS (siehe unten) wegen ihrer Trägheit kritisiert, die sie in Fällen an den Tag legt, die zu ihrer Kenntnis gebracht werden. Bei seiner Kritik bezog sich der Präsident Pierre Truche ausdrücklich auf den Angriff der Polizei auf ein Cafe der Kabylen (algerische Berber) in Paris in der Silvesternacht von 2003 auf 2004. Dabei wurde eine friedliche Feier abrupt mit Tränengas beendet, eine Person starb infolge des Einsatzes (siehe Abschnitte 2 und 5.8.).

8 Abschließende Bemerkungen des Menschenrechtskomitees: France, UN Doc. CCPR/C/79/Add.80 (im folgenden: MRK – abschließende Bemerkungen), 4. August 1997, Paragraph 16.

Wednesday, March 07, 2007

 

8. März: Internationaler Tag der Frau

Bedrohte Menschenrechtlerinnen in Usbekistan

Hier ist ein Appellbrief (verfasst von G. Warning, Amnesty International Konstanz), der Informationen enthält und als Vorlage für eine Petition dienen kann.

Jeder Brief zählt.

Kopie bitte an:

Botschafter Herr Bachtijor Guljamow
Kanzlei der Botschaft der Republik Usbekistan
Perleberger Str. 62, 10559 Berlin

Telefax: 030-3940 9862
E-Mail: botschaft@uzbekistan.de



Präsident Islam A. KARIMOV
Rezidentsia prezidenta
ul. Uzbekistanskaia, 43
Tashkent 700163

UZBEKISTAN

Fax: + 998 71 139 53 25
Email: presidents_office@press-service.uz

Sehr geehrter Herr Präsident,

der 8. März wird weltweit als Tag der Frau gefeiert, auch in Usbekistan ist dieser Tag seit langem in der Öffentlichkeit bekannt. Auch wenn in Usbekistan Frauen in der Politik anzutreffen sind, wie etwa die Ombudsfrau des Parlaments Sajjora Raschidowa oder die zuvor als Sängerin bekannte Juldus Usmanowa, und Gulnora Karimowa zu verschiedenen Anlässen an die Öffentlichkeit tritt, lässt sich mit einem Blick auf wichtige Ämter - Präsident, Justizminister, Verteidigungsminister, Innenminister, Geheimdienstminister, Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs, Generalstaatsanwalt, Hokim etc. - zweifellos feststellen, dass die Teilnahme von Frauen im öffentlichen Leben gefördert werden muss.

Aber was geschieht?

Am 7. Oktober 2005 wurde Mutabar Tadschibajewa vom "Klub der Feurigen Herzen" aus Margilan verhaftet, die sich u.a. für die Opfer der Repression in Andischan. Am 6. März 2006 wurde sie aufgrund fabrizierter Vorwürfe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Januar 2007 wurde Gulbahor Turajewa verhaftet, eine Ärztin und Pathologin aus Andischan, die anlässlich des Massakers von Andischan die Öffentlichkeit darüber informierte, wer die Opfer des Massakers waren.

Ebenfalls im Januar 2007 wurde Umida Nijasowa verhaftet, als sie aus dem kirgisischen Exil zurückkehrte. Ende Dezember 2006 hatte der usbekische Zoll ihr Laptop, ihre Flash-Card und ihren Pass konfisziert, weil der Computer einen Bericht von Human Rights Watch über das Massaker von Andischan enthielt. Umida Nijasowa ist Übersetzerin und Dolmetscherin und hat in dieser Eigenschaft auch für Human Rights Watch gearbeitet.

Am 14. Februar 2007 wurde Wasila Inojatowa, die Leiterin der Menschenrechtsorganisation Ezgulik (Wohltätigkeit) im Regionalbüro der Organisation in Samarkand angegriffen, und obwohl das Büro in nächster Nähe zur Polizeidirektion von Samarkand liegt, griff die Polizei nicht ein.

Es ist offensichtlich, dass es in Usbekistan viele politisch engagierte Frauen gibt, aber statt ihnen den Weg zu ebnen, die Politik des Landes mitzugestalten, werden die Frauen überfallen, verhaftet oder ins Gefängnis gesteckt.

Es würde mich sehr freuen, wenn Mutabar Tadschibajewa, Gulbahor Turajewa und Umida Nijasowa möglichst bald freigelassen würden.

Hochachtungsvoll

Sunday, March 04, 2007

 

Council of Europe Anti-Torture Committee visits Greece

Straßburg, 2. März 2007 - Eine Delegation der Sonderkommission zur Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) im Europarat hat gerade einen ein-Wochenen-Besuch von Griechenland beendet (20. bis 27. Februar 2007)

Hauptanliegen des Besuchs war, zu untersuchen, welche Schritte die griechische Regierung unternommen hat, um die Empfehlungen der CPT umzusetzen, die diese nach ihrem letzten periodischen Besuch im August/ September 2005 geliefert hatte. Besonderes Augenmerk lag auf Angelegenheiten von Sicherheit gegen Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam und Haftbedingungen in Polizeistationen und Haftanstalten für Fremde. Die Delegation besuchte auch besonders das Männergefängnis von Korydallos, um dort die Haftbedingungen in den Seperationsblöcken zu untersuchen und um Fortschritte in der Gesundheitsversorgung zu prüfen. [...]

Bitte lesen sie das Original unter: cpt.coe.int


 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

1.1. Die Justiz
6. Teil in der Serie (siehe 24. Februar)

Die französische Justiz umfasst Staatsanwälte und Richter (darunter auch die unabhängigen Untersuchungs- oder Ermittlungsrichter – juges d’instruction – und Haftrichter - juges des libertés et de la détention(5) ). Die Staatsanwälte, die zum ministère public gehören, sind dem Justizminister verantwortlich. Die Staatsanwälte (m/f) tragen unterschiedliche Titel, je nach ihrer Aufgabe oder dem Gericht, dem sie zugeordnet sind. Eine allgemeine Bezeichnung für die Strafverfolgungsbehörde ist le parquet. Da die Strafverfolgung seinem/ihrem Ermessen unterworfen ist, entscheidet der/die Staatsanwalt/wältin, wie ein Fall einzustufen ist. Entscheidet er/sie, den Fall zu verfolgen, kann er/sie die Angeklagten entweder an ein Strafgericht oder ein Polizeigericht überweisen (wenn der Sachverhalt klar und entscheidungsreif ist), oder er/sie kann verlangen, dass der Fall von einem/r Untersuchungsrichter/in übernommen wird, wenn es sich um einen komplexeren Fall handelt, der weitere Ermittlungen erfordert. Dieses Verfahren heißt dann ouverture d’une information. Eine Beschwerde kann auch als strafrechtlich irrelevant zu den Akten gelegt werden, dies heißt dann classement sans suite.

Viele Beschwerden gegen Beamte mit Polizeibefugnissen wegen Misshandlung werden auf diese Art erledigt, entweder, weil der Staatsanwalt den Fall für nicht geeignet oder unzureichend substantiiert hält, in vielen Fällen auch, weil seiner Meinung nach nicht genügend Beweise vorliegen, um eine Strafverfolgung aufrecht zu erhalten. Opfer oder ihre Angehörige können im Falle von Verbrechen (crimes) als Zivilpartei an den Ermittlungsrichter herantreten, im Fall von Übertretungen oder einfachen Straftaten (contraventions oder délits) dient die citation directe diesem Zweck. Wenn man sich einem Verfahren als Zivilpartei anschließt, erhält man Zugang zu Informationen, die man andererseits – wegen der Geheimhaltung der Ermittlungen – nicht u.U. erhält. Allerdings ist dies eine kostspielige Angelegenheit. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat deshalb die französischen Behörden kürzlich kritisiert, weil sie gegen das Prinzip einer wirksamen amtlichen Untersuchung des Todes einer inhaftierten Person verstoßen hatten. Der Gerichtshof war der Auffassung, dass es zu einer wirksamen Untersuchung gehört, automatisch auch die Angehörigen von Opfern über den Gang des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten, ohne dass sie sich als Zivilpartei anschließen müssen. Die französischen Behörden hatten sich zu ihrer Rechtfertigung auf diese Möglichkeit berufen. (6)

Laut jüngsten Schätzungen enden 80 Prozent der Beschwerden, die von Zivilparteien eingebracht werden, mit der Entscheidung, diese mangels erfüllten Tatbestands zu archivieren (ordonnance de non-lieu). (7)
Im September 2004 machte der Vorsitzende des Pariser Gerichtshofs den Vorschlag, die Möglichkeiten von Zivilparteien, sich einem Verfahren mit eigenen Beschwerden (und Anwälten m./f.) anzuschließen, zu beschränken. Ihre Beschwerden sollten erst einem Staatsanwalt (procureur de la République) vorgelegt werden, bevor ein Ermittlungsrichter eine Untersuchung eröffnen kann. In den Fällen, die Amnesty International interessieren, treten die Opfer oder ihre Angehörigen fast ausnahmslos als Zivilpartei des Verfahrens auf, gerade weil die Staatsanwälte bei der wirksamen Verfolgung der Vorwürfe versagen. Daher besteht die Gefahr, dass eine solche Neuerung das Problem der faktischen Straflosigkeit noch verschärfen würde.

(5) Der juge des libertés et de la détention, wurde durch das Gesetz Nr. 2000-516 vom 15. Juni 2000 geschaffen. Er hat die traditionellen Aufgaben des Ermittlungsrichters übernommen, soweit in bestimmten Bereichen wie dem Drogenhandel über vorläufige Haft, Verlängerung der Verwaltungshaft oder des Polizeigewahrsams zu entscheiden ist.
(6) Der Fall Slimani v. France (Eingabe Nr. 57671/00), Urteil vom 27. Juli 2004 (siehe Abschnitt 4 dieses Berichts).
(7) Zitiert in Le Monde, 9. September 2004.

Saturday, March 03, 2007

 

CIA, Geheimflüge

Übersetzung des Artikels von Ignacio Ramonet: "CIA, vols secrets" in der Le Monde Diplomatique von März 2007 - 54. Jahr - No 636. Eine deutsche Ausgabe der Zeitung wird von der Redaktion der TAZ herausgegeben. Die März Nummer ist allerdings noch nicht erschienen.

Unanständigkeit? Zynismus? Perversion? Wie bewertet man die Haltung der europäischen Regierungen, die in flagranti dabei überrascht werden, wie sie sich als Komplizen einer fremden Macht am heimlichen Verschwindenlassen von Duzenden von Verdächtigten beteiligen, die in verborgene Gefängnisse verschleppt und der Folter überliefert wurden?

Kann man sich eine schlimmere Menschenrechtsverletzung in flagranti vorstellen? Zwei jüngere Ereignisse belegen eine milde Schizophrenie. Zunächst hatten sich am vergangenen 7. Februar in Paris eine Mehrzahl der UNO Mitgliedsstaaten per Unterschrift feierlich zur Ächtung von “gewaltsam verursachten Verschwinden” bekannt, womit der Gebrauch geheimer Gefängnisse zur Straftat erklärt wurde. (1) Darauf, am 14. Februar, wurde im europäischen Parlament in Straßburg ein Bericht angenommen, der eben diese Regierungen beschuldigt, in Komplizenschaft mit der US-amerikanischen Central Intelligence Agency CIA an Einsätzen von geheimen Verschwindenlassen verwickelt gewesen zu sein. (2)

Dem Bericht zufolge sind zwischen 2001 und 2005 Flugzeuge der CIA 1 245 mal von europäischen Flughäfen aufgestiegen, oft mit vermuteten Opfern von “gewaltsam verursachten Verschwinden”, die heimlich auf den Weg in das illegale Gefangenenlager in Guantánamo geschickt wurden, oder in Gefängnisse der Komplizenländer (Ägypten, Marokko), in denen es üblich ist, zu foltern. Es ist von nun an offensichtlich, dass die europäischen Länder die kriminelle Natur solcher Flüge keineswegs ignorierten. Manche unter ihnen werden sich nicht mehr damit begnügen können, die Augen zu verschließen. So sind Polen und Rumänien besonders verdächtigt, auf ihrem Boden “kleine Guantánamos” organisiert zu haben, in denen Einige inhaftiert wurden, um auf ihren endgültigen Weitertransport zu warten, nachdem man sie in Afghanistan oder Pakistan oder anderswo hatte verschwinden lassen.

Die britische Regierung steht unter Verdacht, sich am Verschwindenlassen von Verdächtigten und an deren Misshandlung beteiligt zu haben. Ebenso wie die Regierungen Schwedens und Österreichs. Was die Verantwortlichen in Deutschland betrifft, so sind sie beschuldigt, dass sie nicht über die Verschleppung einer ihrer Bürger libanesischer Herkunft, Khaled el Masri, haben ahnungslos sein können, der dann nach Afghanistan überstellt worden war. Auch der italienische Geheimdienst ist unter anderem beschuldigt, in Mailand Agenten de CIA bei der heimlichen Entführung des Imam Hassan Mustapha Ossama Nasr, alis “Abu Omar”, geholfen zu haben, der nach Ägypten überführt wurde, wo er gefoltert und vergewaltigt wurde. (3)

Diese massive Verletzung der Menschenrechte hätte nicht ohne die Dienste der hohen Amtsträger im Aussenamt der europäischen Union passieren können, des Herrn Javier Solana, wie auch seines Kollaborateurs, dem europäischen Koordinator für den Kampf gegen den Terror, Herr Gijs de Vries, die davon gewusst haben mussten. Herr de Vries entschied sich, in eleganter Geste, einzugestehen: “Die demokratischen Staaten, die gut informiert sind, müssen ihren Kampf gegen den Terror innerhalb der anerkannten Rechte führen. (...) Die Anhäufung von Grausamkeiten in Abu Ghraib und Misshandlungen in Guantánamo wie auch die Entführungen durch die CIA untergraben die Glaubwürdigkeit von den Vereinigten Staaten und von Europa.” (4)

All jene Führenden oder die Handlanger, die sich an den Verschleppungen beteiligten, sollten das Gericht fürchten. Und sie sollten das Schicksal der Frau Maria Estella Martinez, alias “Isabelita Perón” bedenken, der vormaligen Präsidentin Argentiniens, das Land, in dem im Namen des Anti-Terrors die Verantwortlichen im großen Ausmaß das politische Verschwindenlassen praktiziert hatten. Sie wurde in Madrid verhaftet und der unangemessenen Gewalt gegenüber einem Studenten, Hector Fragnetti, angeklagt, was damals im Jahre 1976 geschah und nun 31 Jahre zurückliegt. Die Gerechtigkeit bewegt sich langsam, aber sie wird unerbittlich sein.

Fußnoten
1) 60% aller Mitgliedsstaaten - wie Chile, Argentinien, Uruguay, aber nicht die Vereinigten Staaten - unterzeichneten. Mindestens fünf Staaten müssen die Convention noch unterzeichen, seit sie in Kraft getreten ist.
2) www.europarl.europa.eu
3) Ein Gerichtshof in Mailand hat am vergangenen 16. Februar ein Gerichtsverfahren gegen 26 amerikanische CIA Agenten und mehrere Mitglieder des italienischen Geheimdienstes eingeleitet, die angeklagt sind, im Februar 2003 das “gewaltsam verursachte Verschwinden” von Imam Abu Omar organisiert zu haben.
4)
El Pais, Madrid, 17. Februar 2007

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