Wednesday, February 28, 2007

 

Aktuelle Nachrichten und Berichte

Zitat des Tages zur Rolle Deutschlands in 'rendition' und Guantánamo im Fall Murat Kurnaz
27. Februar 2007
" Doch auch wenn [damaliger Kanzleramtschef Frank-Walter] Steinmeier wirklich so ahnungslos gewesen ist, wäscht ihn das nicht von allen Vorwürfen rein. Immerhin war auch ihm bereits seinerzeit die Rechtswidrigkeit der Haftumstände in Guantánamo bekannt, weshalb die Regierung eigentlich alles hätte unternehmen müssen, Kurnaz aus dem Lager nach Deutschland zu holen."
Andreas Förster und Damiur Faas in der Berliner Zeitung S. 5 "Fischer: Vorwürfe [...]"
* * *
27. Februar 2007
EU Kontrollen für Folterwerkzeuge
"Die Europäische Union ist die erste regionale Institution in der Welt, die sich auf Regeln im Handel mit Ausrüstung, die für Folter und Misshandlung benutzt werden, geeinigt hat. Solange jedoch die Schwachpunkte in den neuen Regulationen nicht ausgerämt werden, wird der Handel mit der Folter weiter gehn." (sinngemäß laut Brian Wood, Forschungsleiter bei Amnesty International für den Handel mit Waffen und Sicherheitstechnologie)

handcuffsHier sind einige Schwachpunkte:
stop_torture
War on Terror - stop Torture logo

siehe Original in Englisch:
EU: Flawed regulations not enough to stop trade in tools of torture

Full Report, "European Union: Stopping the Trade in the Tools of Torture"
also:
EU regulation does not prevent trade in tools of torture
siehe auch: EU-Kontrollen für Folterwerkzeuge bleiben zahnlos

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26. Februar 2007
GB: Deportation nach Algerien um jeden Preis

Amnesty International ist weiterhin ernsthaft besorgt über den Versuch von GBs Amtsträgern, mehr als 15 algerische Männer um jeden Preis in ihr Herkunftsland abzuschieben. Die Organisation geht davon aus, dass diese Versuche gegen das Verbot von Abschieben von Personen in Länder geschehen, in denen das Risiko von schweren Menschenrechtsverletzungen besteht, Folter und Misshandlung inbegriffen. [...]

siehe vollständigen Text in Englisch:
United Kingdom: Deportations to Algeria at all costs
* * *
26. Februar 2007
GB/Jordanien: 'Risikoträger für Nationale Sicherheit' muss mit Folter in Jordanien rechnen
Amnesty International verurteilte heute die Entscheidung der Sonderkommission für Immigrationsanträge (
Special Immigration Appeals Commission (SIAC)), die aus 'Gründen nationaler Sicherheit' den Appell von Omar Mahmoud Mohammed Othman (auch Abu Qatada genannt) gegen seine Abschibung nach Jordanien ablehnte.

Amnesty International befürchtet, dass die Abschiebung Abu Qatadas ihn in Gefahr brächte, dass er gefoltert oder misshandelt würde und dass seine fundamentalen Menschenrechte, wie auch das Recht auf ein gerechtes Verfahren, missachtet würden.

siehe unter: United Kingdom/Jordan: 'National security suspect' facing prospect of torture in Jordan


Saturday, February 24, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

5. Teil in der Serie (siehe 21. Februar)

1. Das französische Rechtssystem

In diesem Abschnitt wird das französische Rechtssystem kurz skizziert, um verständlich zu machen, in welchem Rahmen die Kritik von Amnesty International einzuordnen ist.

Nach dem in Frankreich herrschenden „monistischen“ Rechtssystem haben internationale Verträge oder Abkommen, die ratifiziert oder verabschiedet wurden, automatisch Vorrang vor dem nationalen Recht (siehe Artikel 55 der französischen Verfassung). So muss die französische Regierung, die Gesetzgebung und die Rechtsprechung den Bestimmungen des Europäischen Abkommens zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (kurz: Europ. Menschenrechtskonvention - EMRK) und des UN-Abkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Anti-Folter-Abkommen) Vorrang einräumen. Die Bestimmungen gelten gleichermaßen uneingeschränkt in allen Übersee-Territorien und Departments Frankreichs.

Die Rechtsprechung in Frankreich kennt zwei Instanzen sowie eine übergeordnete letzte Instanz. Das bedeutet, dass eine Entscheidung eines Gerichts der ersten Instanz vor einem Gericht der zweiten Instanz (Berufungsebene) angefochten werden kann. Über dem Berufungsgericht steht das Kassationsgericht (Cour de Cassation), das über die Gesetzmäßigkeit der Entscheidungen niederer Instanzen entscheidet (AdÜ: also keine Tatsacheninstanz darstellt). Gegen Entscheidungen des Kassationsgerichts sind im innerstaatlichen Rechtssystem gegen Berufungen zulässig. Wer der Auffassung ist, dass seine/ihre Rechte, wie sie im EMRK niedergelegt sind, verletzt wurden, und alle inländischen Rechtsmittel ausgeschöpft hat, kann innerhalb von sechs Monaten ein Verfahren vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof einleiten. In manchen Fällen nimmt der Europäische Gerichtshof auch Beschwerden an, wenn die inländischen Rechtsmittel noch nicht ausgeschöpft sind, und zwar dann, wenn diese sich ungebührlich in die Länge ziehen oder ungeeignet sind. [1]

Je nach Art des Falls gibt es verschiedene Strafgerichte. Vergehen oder Übertretungen werden vor sogenannten „Polizeigerichten“ (tribunaux de police) verhandelt. Ernstere Straftaten (délits) werden vor Strafgerichten verhandelt. Die schwerste Kategorie – Verbrechen (crimes) – werden vor Schöffengerichten verhandelt (cours d’assises). Gegen die Entscheidungen aller aufgeführten Gerichte ist Berufung zulässig, im Fall der Schöffengerichte allerdings erst seit kurzem, und gegen Freisprüche kann nur durch die beim Berufungsgericht angesiedelten Staatsanwälte (avocats généraux) Berufung eingelegt werden.

Beschwerden gegen staatliche Bedienstete wegen Beleidigung, Misshandlung oder Gewaltexzessen können auf verschiedenen Wegen vorgebracht werden: über den/die Staatsanwalt/wältin, den/die Ermittlungsrichter/in, Beschwerdegremien der Polizei oder die Polizeiaufsichtsbehörde, die Commission nationale de déontologie de la sécurité (CNDS). Keines dieser Verfahren ist ganz zufriedenstellend.

[1] Siehe etwa den Fall Ahmed Selmouni, Abschnitt 5.2.

Thursday, February 22, 2007

 

Europa Parlament: CIA Report

Bevor der Report zu Europas Verwicklung in CIA "rendition" Praktiken in Vergessenheit gerät, hier noch einmal die Links, alle von der Web Seite: Europäisches Parlament unter "What's New"

REPORT
on the alleged use of European countries by the CIA
for the transportation and
illegal detention of prisoners (2006/2200(INI))
Temporary Committee on the alleged use of European
countries by the CIA
for the transportation and illegal detention of prisoners

Rapporteur: Giovanni Claudio Fava

Angekündigt ist auch eine deutsche Übersetzung des Reports.

Abstimmung
Ergebnisse


Kritik an Mitgliedsstaaten

Abschlussbericht


Das Europa-Parlament

Wednesday, February 21, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

4. Teil in der Serie (siehe 17. Februar)
Einführung (fortgesetzt)
Dieser Bericht beschreibt im Detail einige besonders krasse Fälle faktischer Straflosigkeit, die die Organisation auf ihrer Odyssee durch die Instanzen der Justiz vom Anfang bis zum Ende verfolgen konnte. Diese Fälle sind zwar rechtlich abgeschlossen, machen aber deutlich, was bei der Justiz alles unter den Tisch gefallen ist. Darüber hinaus geht der Bericht auf einige weitere Fälle ein, die ebenfalls die Bedenken von Amnesty International wecken. Viele davon, besonders diejenigen, die sich auf Misshandlungen beziehen, sind jungen Datums. Andere liegen zwar schon Jahre zurück, sind aber noch immer aktuell. Der Bericht endet mit einer Reihe von Empfehlungen an die Behörden. Ihre Umsetzung würde die faktische Straflosigkeit der französischen Organe beenden.

INHALTSVERZEICHNIS [Seitenangaben hier ausgelassen]
Einführung
1. Das französische Rechtssystem
1.1. Die Justiz
1.2. Polizei und polizeiliche Kontrollmechanismen
1.2.3. Unabhängige Aufsichtsinstanzen
2. Kritik von Amnesty International an faktischer Straflosigkeit in Frankreich
2.1. Zunahme von Beschwerden wegen Polizeigewalt und -rassismus
2.2. Polizeigewahrsam (garde à vue)
2.2.1. Zugang zu einem Anwalt
2.2.2. Ärztliche Untersuchung
2.2.3. Weitere Kritikpunkte am Polizeigewahrsam
2.3. Weite Vollmachten des Staatsanwalts
2.4. Verschleppte Gerichtsverfahren
2.5. Nominale oder nur symbolische Strafen
2.6. Die problematische Rolle der Schwurgerichte
2.7. Die Begriffe der “Notwehr” und des “Notstands”
2.7.1. “Notwehr” (Legitime Verteidigung, Selbstverteidigung)
2.7.2. “Notstand”
2.7.3. Missbrauch der Begriffe
2.8. Schusswaffeneinsatz durch Gendarmen
2.9. Problem der Identifizierung
3. Polizeiliche Todesschüsse
3.1. Todor Bogdanovic
3.2. Etienne Leborgne
3.3. Abdelkader Bouziane
3.4. Habib Ould Mohamed
3.5. Riad Hamlaoui
4. Todesfälle im Polizeigewahrsam
4.1. Aïssa Ihich
4.2. Mohamed Ali Saoud
4.3. Sydney Manoka Nzeza
4.4. Edouard Salumu Nsumbu
4.5. Ricardo Barrientos
5. Folterungen oder Misshandlungen durch Beamte mit Polizeibefugnissen
5.1. Fehlende Umsetzung internationaler Verpflichtungen
5.1.1. Frankreichs internationale Verpflichtungen zur Verhütung und Bestrafung von Folter
5.1.2. Unzureichende Umsetzung dieser Verpflichtungen durch Frankreich
5.1.3. Internationale Kontrolle der Verpflichtungen Frankreichs
5.1.4. Fälle, die die Bedenken von Amnesty International illustrieren
5.2. Ahmed Selmouni
5.3. Baba Traoré
5.4. Yacine
5.5. Karim Latifi
5.6. Hayat Khammal
5.7. Omar Baha
5.8. Misshandlungen von Amazigh (Kabylen, Berbern)
5.9. Sukhwinder Singh
5.10. Misshandlungen während Abschiebungsversuchen
6. Schlussfolgerungen
7. Empfehlungen
Wort- und Abkürzungsverzeichnis

Saturday, February 17, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

3. Teil in der Serie (siehe 13. Februar)
Einführung (fortgesetzt)
Auch hat Amnesty International in einer Reihe von Fällen festgestellt, dass rassistische Beleidigungen laut Berichten von polizeilichen Misshandlungen begleitet wurden. Eine rassistische Einstellung bei Polizeibeamten bedeutet, dass ein bestimmter Personenkreis besonders leicht Diskriminierungen und Misshandlungen durch Polizisten zum Opfer fällt. Diskriminierung kann auch die Straflosigkeit von Polizeibeamten begünstigen, die tatsächliche oder scheinbare Angehörige von sozialen Randgruppen misshandeln. Oft können die Beamten dann im sicheren Bewusstsein handeln, dass ihr Verhalten keiner – zumindest aber keiner gründlichen Prüfung unterzogen wird. Eine Folge dieses Klimas der Straflosigkeit ist, dass Menschen, deren Rechte verletzt wurden, zum Schweigen verdammt sind, sei es, weil sie sich nicht in der Lage fühlen, Anzeige zu erstatten, sei es, weil die Polizei oder die Staatsanwälte es vorziehen, Anzeigen nicht entgegen zu nehmen, nicht zu registrieren bzw. nicht weiter zu verfolgen.

Der Mangel an öffentlichem Vertrauen, dass die Polizei alle gleich behandelt, ist besonders in den sozialen Brennpunkten, den sogenannten "quartiers sensibles" zu spüren, aus denen viele Opfer polizeilicher Misshandlungen und Gewaltexzesse stammen. Die Spannungen zwischen der Polizei und der Bevölkerung dieser Viertel verschärfen sich, wenn Fälle mutmaßlicher Opfer missbräuchlicher Polizeigewalt durch die Opfer selbst oder ihre Angehörigen schließlich vor Gericht gelangen, dann aber mit höchst kontroversen Freisprüchen oder rein symbolischen Strafen für die Polizeibeamten enden. Zu solchen Anlässen drängen sich in den Gerichtssälen auf der einen Seite die Freunde und Verwandte des Opfers, auf der anderen Seite die Polizeibeamten, und gewaltsame Szenen im Gerichtsgebäude sind keine Seltenheit. Dies verstärkt auf beiden Seiten das Gefühl des „Wir gegen die“.
Wenn Amnesty International den Ausdruck „faktische Straflosigkeit“ benutzt, heißt dies nicht unbedingt, dass die Täter völlig straffrei ausgehen. Er umschreibt vielmehr eine Reihe von Faktoren, die dazu beitragen, dass die Justiz weitgehend in ihrer Aufgabe versagt, Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Gesetzesvollzug wirksam zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen.
Die Faktoren, die zur faktischen Straflosigkeit beitragen und die durch die Fälle in diesem Bericht illustriert werden sollen, umfassen:

 

Aktuelle Nachrichten und Berichte

14. Februar 2007

Algerien / Großbritannien: drei algerische Staatsbürger („Q“, „K“ und „H“)

Der aus juristischen Gründen als „H“ bezeichnete algerische Staatsbürger, der am 30. Januar 2007 vier Tage nach seiner Ausweisung aus Großbritannien in Algerien in Haft genommen worden war, ist am 10. Februar 2007 einem Richter vorgeführt worden. Er wurde unter Anklage gestellt und ins Serkadji-Gefängnis in Algier überstellt. Der Militärgeheimdienst „Département du renseignement et de la sécurité“ (DRS) hatte „H“ elf Tage lang ohne Anklageerhebung und ohne Kontakt zu rechtlichem Beistand in Gewahrsam gehalten. Die nun gegen ihn erhobenen Anklagen lauten nach amnesty international vorliegenden Informationen unter anderem auf „Beteiligung an Aktivitäten eines im Ausland operierenden Terrornetzwerks“. amnesty international ist nicht bekannt, ob „H“ bei der Anhörung vor Gericht durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl vertreten wurde.

Der als „Q“ bezeichnete algerische Staatsbürger, der am 5. Februar 2007 aus dem DRS-Gewahrsam in ein Gefängnis verlegt worden war, befindet sich dem Vernehmen nach ebenfalls in der Hafteinrichtung Serkadji in Algier. Er war fünf Tage nach seiner Ausweisung aus Großbritannien festgenommen worden. Berichten zufolge steht er wegen „Beteiligung an Aktivitäten eines im Ausland operierenden Terrornetzwerks“ und Dokumentenfälschung unter Anklage.

„K“, der zwölf Tage lang vom DRS festgehalten und dann freigelassen worden war, befindet sich nach wie vor in Freiheit. amnesty international geht davon aus, dass die drei noch inhaftierten Männer nicht mehr in unmittelbarer Gefahr sind, gefoltert zu werden. Zudem sollen ihnen bald Familienbesuche erlaubt werden.

Vielen Dank allen, die sich an dieser Eilaktion beteiligt haben. Weitere Appelle der Teilnehmer am Eilaktionsnetz sind gegenwärtig nicht erforderlich.

Übersetzung von ai Deutschland
AI Dokument im englischen Original
Eine Delegation des Europäischen Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) besuchte Liechtenstein vom 5. bis zum 9. Februar 2007. Sie überprüfte die Behandlung von Gefangenen, unter anderem im Vaduz Gefängnis, wie auch von kranken Gefangenen im Hospital. Die Kommission besuchte zum ersten Mal auch ein Altenpflegeheim. Weitere Anliegen waren Asyl- und Flüchtlingsfragen.

Der englische Originalbericht ist zu finden bei:
http://www.cpt.coe.int
Wahlergebnisse vom 14. Februar 2007
Der Report
(A6-0020/2007) des Speziellen Rapporteurs Giovanni Claudio Fava wurde mit 382 Ja-Stimmen gegen 256 Ablehnungen bei 74 Enthaltungen angenommen.
Quelle, siehe unter: http://www.europarl.europa.eu
- - -
9. Februar 2007
Original (in englisch): AI Index: MDE 14/006/2007

Tuesday, February 13, 2007

 

FRANKREICH: SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

2. Teil in der Serie (siehe 7. Februar)
Einführung (fortgesetzt)
Amnesty International hat die Überzeugung gewonnen, dass das anhaltende Versagen der Regierung, diese Rechtsverletzungen anzugehen, ein Klima faktischer Straflosigkeit für Beamte mit Polizeibefugnissen geschaffen hat. Das Ergebnis ist eine Justiz “zweier Geschwindigkeiten” – eine schnelle für Anzeigen der Polizei, und eine im Schneckentempo, wenn mutmaßliche Opfer missbräuchlicher Polizeigewalt Anzeige erstatten. Dies erzeugt ein Gefühl der Straflosigkeit und erweckt in der Öffentlichkeit nicht gerade den Eindruck, dass auch Beamte mit Polizeibefugnissen sich an die Gesetze halten müssen und für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein anschauliches Beispiel für die Bedenken von Amnesty International über die faktische Straflosigkeit stellt der Fall von Ahmed Selmouni (Abschnitt 5.2.) dar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in seiner Entscheidung vom Juli 1999 festgestellt, dass Frankreich in diesem Fall gegen das Folterverbot und gegen das Recht auf einen fairen Prozess in angemessener Zeit verstoßen hat. Erst Jahre nach den Rechtsverstößen war der Fall an die französischen Gerichte gelangt, und dies auch nur, weil der Europäische Gerichtshof schon ermittelte. Selbst dann schlug der Versuch eines französischen Gerichts, einen Polizeibeamten angesichts der Schwere des Falls zu einer “exemplarischen” Gefängnisstrafe zu verurteilen, fehl, weil die Polizeigewerkschaften auf die Straße gingen, um ihren Unmut kund zu tun. Zudem kamen die Verurteilten in den Genuss einer diesmal sehr rasch angesetzten Berufungsverhandlung, auf der der Staatsanwalt sich für die “Ehre” der Täter einsetzte. Dies führte zu einer strafmildernden Einstufung der Straftaten, für die die Beamten verurteilt wurden, und ermöglichte ihnen, ihre Polizeilaufbahn fortzusetzen.

Fast alle Fälle, von denen Amnesty International erfahren hat, betreffen Personen nicht-europäischer Abstammung, oft nordafrikanischer oder schwarzafrikanischer Herkunft oder aus den französischen Überseegebieten und –territorien (DOM-TOMs). Dies selbst stellt zwar noch keinen direkten Beweis für institutionalisierten Rassismus innerhalb der Rechtsschutzorgane dar,3 die Organisation hat jedoch festgestellt, dass riskante Vorgehensweisen oder “eine Reihe von Missgriffen”, wie die Gerichte dies gerne bezeichnen, um leichte oder nur symbolische Strafen zu rechtfertigen – vorwiegend gegenüber diesem Personenkreis anzutreffen war. Dieses polizeitypische Verhalten weist auf eine amtliche Wahrnehmung hin, solche Personen als größeres Sicherheitsrisiko oder als wahrscheinlichere Straftäter zu betrachten als weiße oder nicht-muslimische französische Staatsbürger oder andere Europäer.

3 Es existieren keine landesweit erfassten statistische Daten über die Zahl der erstatteten Anzeigen, aufgeschlüsselt nach dem Anteil von Personen nicht-französischer Herkunft oder Angehörigen ethnischer Minderheiten.

 

Nachrichten von Europa

GB: Abschaffung der Todesstrafe
"The Independent" berichtete am 6. Februar von dem Widerstreben der britischen Regierung, Italien in seinem Antrag an die Uno für ein Moratorium auf Exekutionen zu unterstützen. Tony Blairs Regierung scheint aus Sorge zu seinen freundschaftlichen Beziehungen zu den USA zu zögern. Dafür erhielt er heftige Kritik von Marco Cappoto, einem italienischen Abgeorneten des Europa Paralments:
"Ich glaube nicht, dass Tony Blair gegen die Abschaffung der Todesstrafe ist. Aber wenn er nicht seinen diplomatischen Widerstand endet, dann riskiert er für das Scheitern des weltweiten Moratoriums verantwortlich zu werden."
Original in englisch unter: news.independent.co.uk
* * *
Portugal: "rendition" Flüge
Der "International Harald Tribune" berichtete am 5. Februar, dass Portugals Generalstaatsanwalt den Vorwurf von "rendition"-Flügen der CIA unter Einbezug von Zwischenstops in Portugal von der Kriminalpolizei untersuchen lassen wird. Abgeordnete des Europa Parlaments, Ana Gomes, unterstützt von Augenzeugenberichten, die Gefangene in Handschellen an einem Flughafen auf den Azoren gesehen hätten, hatte ihn zuvor von 12 Fällen berichtet. Auch lokalen Beamten sei bekannt, dass solche Flüge innerhalb Portugals gesch&;auml;hen.

mehr im Originaltext (englisch) unter: iht.com
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EU: Datenschutz und Terrorbekämpfung
Die "Businessweek" berichtete am 2. Februar, dass Europas Beauftragter für Justiz, Franco Frattini, sich um eine deutliche Einschränkung der an die USA weitergeleiteten Flugdaten bemühen will. Das Europa-USA Abkommen zum Datenaustausch läft Ende Juli ab. Herr Frattini betonte die Notwendigkeit, Terrorabwehr und Datenschutz miteinander auszuwiegen. Er sagte: "Das Recht auf Privatsphäre lässt sich nicht verhandeln".
("privacy rights are non-negotiable.")

mehr im Originaltext (englisch) unter: businessweek.com
* * *
Bei weiteren Anfragen richten Sie sich bitte an:

Joana Gomes-Cardoso
Executive Officer
Media and Communication
Amnesty International EU office
tel: +32 2 548 2773
fax: +32 2 502 56 86



Wednesday, February 07, 2007

 

FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

Dies ist der Auftakt zu einer Folge, die sich mit Polizeigewalt in Frankreich befasst. Der Text wurde von Georg Warning aus dem englischen Original übersetzt: France: The search for justice : The effective impunity of law enforcement officers in cases of shootings, deaths in custody or torture and ill-treatment (6. April 2005)

siehe auch: Europe and Central Asia Summary of Amnesty International’s Concerns in the Region
January - June 2005,darin unter "France" (1. December 2005), und: Amnesty International Annual Report 2006 France

Faktische Straflosigkeit von Beamten mit Polizeibefugnissen
Schusswaffengebrauch, Tod im Gewahrsam, Folter und Misshandlung


Einführung

"Ich hatte wirklich an die Gerechtigkeit geglaubt," sagte ein Opfer polizeilicher Gewalt zu Amnesty International, nachdem seine Anzeige vom Staatsanwalt zu den Akten gelegt worden war.

Das Opfer (dessen Fall in diesem Bericht geschildert wird) gab an, im Februar 2002 bei einem Vorfall interveniert zu haben, den er auf dem Heimweg beobachtet hatte, als er das Eid al-Adha, das muslimische Opferfest, feiern wollte. Auf diesen Vermittlungsversuch hin wurde er von Polizisten attackiert, die sein Nasenbein brachen. Auch gibt er an, von ihnen rassistisch beleidigt und gedemütigt worden zu sein, während 15 weitere Beamten passiv daneben standen und zuschauten.

Dieser Angriff wurde von mehreren Personen beobachtet, deren Aussagen Vertretern von Amnesty International zugegangen sind. Obwohl die Angaben des Opfers von vielen Zeugen und durch ärztliche Atteste, die eine Reihe von Verletzungen bescheinigten, bestätigt wurden, verfolgte der Staatsanwalt anscheinend die Anzeige nicht weiter und stellte das Verfahren ein

Der Beschwerdeführer war daher gezwungen, entweder die Sache aufzugeben oder das Verfahren privat weiter zu betreiben.
Dieser Fall ist keineswegs untypisch für die Art, wie die französische Strafjustiz Opfern von Menschenrechtsverletzungen das Recht auf Wiedergutmachung und Entschädigung, auch finanzielle Leistungen, vorenthält. Seit vielen Jahren schon dokumentiert Amnesty International, wie die Behörden auf Vorwürfe gegen Beamte mit Polizeibefugnissen wegen Folter, Misshandlung und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung bis hin zu illegalen Tötungsdelikten reagiert.1 Da Amnesty International diese Fälle schon so lange beobachtet, konnte sie oft ihren Gang durch die ganzen, oft langwierigen rechtlichen Instanzen verfolgen und so die Effektivität der verschiedenen Etappen dieses Sysstems beurteilen. Die große Mehrheit der Fälle erleidet stets das selbe Schicksal: interne polizeiliche Ermittlungen, gekoppelt mit der willkürlichen Ausübung staatsanwaltlicher Vollmachten ließen die Strafverfolgung gegen Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen in vielen Fällen ins Leere laufen. Viele Verfahren wurden eingestellt, bevor sie auch nur ein Gericht erreichten, selbst dann, wenn glaubwürdige Beweise vorlagen, dass eine Rechtsverletzung stattgefunden hatte. Selbst wenn solche Fälle vor Gericht gelangen, sind Schuldsprüche relativ selten, und wenn, dann sind die Strafen nicht der Rede wert. Die französische Zeitung Le Monde hat es auf den Punkt gebracht: "Für Polizisten sieht die Justiz einen Sondertarif vor: sie werden nie schwer gestraft." 2

1 1994 veröffentlichte Amnesty International den Bericht, France: Shootings, killings and alleged ill-treatment by law enforcement officers (AI Index: EUR 21/02/94), in dem Fälle von Schusswaffengebrauch,Tötungen und Misshandlung bzw. mutmaßlicher Misshandlung von Gefangenen durch Beamte mit Polizeibefugnissen dargestellt wurde. 1998 folgte eine später veröffentlichte Eingabe an das UN-Anti-Folter-Komitee.

Diese Eingabe, France: Excessive force: A summary of Amnesty International's concerns about shootings and ill-treatment (AI Index: EUR 21/05/98), kam zum Schluss, dass die Bedenken von 1994 im Wesentlichen unverändert fortbestanden. Seitdem hat Amnesty International weitere Fälle untersucht, darüber berichtet und sich für die Opfer eingesetzt.

2
Le Monde, “La France des ‘bavures’”, 18 April 2000

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Tuesday, February 06, 2007

 

Aktuelle Nachrichten und Berichte

1. February 2007
Slowenien: Amnesty International verurteilt Zwangsausweisung von "ausgelöschter" Person nach Deutschland
Amnesty International verurteilt eine Zwangsausweisung nach Deutschland, die am 1. Februar 2007 durchgeführt wurde, von Ali Berisha, einer "ausgelöschten" Person, seiner Frau Mahi und ihren fünf Kindern. In Deutschland würden sie Gefahr laufen, nach Kosovo abgeschoben zu werden. Im derzeitigen ungewissen Status des Kosovo und dem jüngsten Anstieg an ethnischen Spannungen würden ihnen dort, als Mitglieder der Romani/Aschkali/Ägyptiani Völker, ethnisch-basierte Angriffe drohen. [...]
vollständiger Bericht im englischen Original: AI Index: EUR 68/002/2007

Folgende Informationen entstammen dem englischsprachigem AI Dokument:
NEWS FOR HEALTH PROFESSIONALS
AI Bulletin Vol. 10 No. 2, 26 January 2007, AI Index: ACT 84/002/2007

GB: Das britische Innenministerium hat zum ersten Mal eingestanden, dass Razzien im Morgengrauen, um gescheiterte Asylbewerber zwangsabzuschieben, "traumatische Folgen" für Eltern und Kinder haben können, wie der Scotsman berichtet

Spanien: Eine Delegation des Europäischen Sonderausschusses zur Vorbeugung von Folter (cpt) hat Spanien besucht, um die Behandlung von einem Gefangenen im Hungerstreik zu untersuchen, der zwangsernährt wird.

Buchneuerscheinung:
Harris F. et al. Health needs of prisoners in England and Wales:
the implications for prison healthcare of gender, age and ethnicity.
Health Soc Care Community. 2007 Jan;15(1):56-66.


Weitere Nachrichten und Berichte in Englisch:
23. Januar 2007
CIA Renditions in Europe: Amnesty International welcomes call for EU Council investigation
(EU Office Press Release)
IOR 30/001/2007

19. Januar 2007
Argentina/Spain: Spain must cooperate to protect human rights AMR 13/001/2007

9. Januar 2007
Greece: Investigation not extradition: Threatened return of human rights defender to Pakistan highlights failures in investigation of alleged abductions

Mögliche Abschiebung nach Pakistan: Der Fall Javed Aslam
Amnesty International ist ernstlich besorgt über die mögliche Ausweisung Javed Aslams, des Präsidenten der Pakistanischen Gemeinschaft in Athen, von Griechenland nach Pakistan. Eine Entscheidung wird am 16. januar fällig. Javed Aslam war von der griechischen Polizei am 6. November 2006 verhaftet worden, der Verhaftung lag ein Interpol - Haftantrag zugrunde die von Pakistan kam und am 2. September 2006 ausgestellt worden war. Derzufolge wurde er mit "illegaler Migration und Menschenschmuggel" beschuldigt - eine Klage, auf die in pakistan bis zu 14 Jahren Gefängnisstrafe droht. [...]

Englisches Original:
AI Index: EUR 25/001/2007

Monday, February 05, 2007

 

"Rendition" in der EU: Fakt - keine Fiktion

5 February 2007
In etwas über einer Woche wird das EU- Parlament seine Stimme abgeben über den "Bericht zur vermutlichen Benutzung europäischer Länder durch die CIA zum Transport und zur unrechtmäßigen Festhaltung von Gefangenen". Amnesty International bittet Mitglieder des EU-Parlaments, ein unmissverständliches Zeichen zu senden: dass EU Regierungen ihrer Verantwortung bewusst werden, und dass sie im jeweiligen Land unabhängige und umfassende Untersuchungen in diese begangenen Verstöße einleiten müssen.
Amnesty International fordert darum die EU Mitgliederstaaten auf, dass sie:
Amnesty International fordert den Europarat auf, er soll:
Amnesty International bittet das Europa Parlament :
siehe als Quelle das englischsprachige Original:
Renditions in the EU: Fact – not fiction
AI Index: EUR 01/002/2007

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