Friday, August 31, 2007

 

* Waffenhandel und Menschenrechte

controlarms In Le Monde Diplomatique berichtet Maurice Lemoine über den dramatischen Anstieg an Waffenlieferungen in der Region und über Europas Rolle dabei.

Er führt unter anderem die Initiative controlarms.org an, die vor implizierten Menschenrechtsverstöße im Aufrüstungswettkampf warnen.

siehe: Kampagnen & Aktionen: Waffen unter Kontrolle
>>Waffen unter Kontrolle – unter diesem Motto startete amnesty international vor drei Jahren gemeinsam mit Oxfam International und dem "Internationalen Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen" in über 60 Ländern eine Kampagne gegen unkontrollierten Waffenhandel. Vorrangiges Ziel ist die strikte Kontrolle und Transparenz aller Rüstungstransfers durch ein rechtlich verbindliches internationales Abkommen. <<
siehe auch:
- EU - Indien - Myanmar: drohende Untergrabung vom Waffenembargo
- Military, Security and Police Equipment
AI Dokumente (englisch) zum Thema
deutsche ai Seite zum Thema: Rüstung


Thursday, August 30, 2007

 

* Internationaler Tag der Verschwundenen

Am 20 Dezember 2006 hatte die Vollversammlung der UN eine "Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor erzwungenem Verschwindenlassen" angenommen. AI sieht darin eine Chance, dieses Verbrechen wirksam zu bekämpfen. Dazu müssen alle UN Mitgliedsstaaten die Konvention ratifizieren.

siehe:
- A crucial opportunity to end enforced disappearance AI Index: IOR 51/055/2007

- OHCHR: International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance

darin: What is enforced disappearance?
The Convention defines enforced disappearance as "The arrest, detention, abduction or any other form ofdeprivation of liberty by agents of the State or by persons or groups of persons acting with the authorization, support or acquiescence of the State, followed by a refusal to acknowledge the deprivation of liberty or by concealment of the fate or whereabouts of the disappeared person, which place such a person outside the protection of the law." (Article 2)
- Europarat: Verschwundene Personen in Europa: ein oft ausgegrenztes und vergessenes Problem (in englisch)
- The New York Times (AFP) 17,000 Still Missing From Balkan Wars

Flüchtlingselend

The New York Times berichtet von 25 Bootsflüchtlingen, die vermutlich vor Malta ertrunken sind, als ihr Boot kenterte. Laut der Malteser Behörde hätten nur drei gerettet werden können.
Malta: Another Tragedy at Sea von Jan Fisher

The New York Times: Am 30. August fand die italienische Küstenwache 59 Bootsflüchtlinge in Seenot. Zwei schwangere Frauen seien auf der See gestorben.
Italy: Coast Guard Finds Migrants Adrift (AFP)

Wednesday, August 29, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze

Militärdienst Minderjähriger


Die Berliner Zeitung veröffentlichte am 28. August 2007 einen Meinungsartikel von Sabine Rennefanz zur Problematik von Großbritanniens Praxis, Minderjährige zu rekrutieren. Ihren Informationen zufolge wurden zwischen Juni 2003 und Juni 2005 fünfzehn unter 18-Jährige in den Irak gesandt. Der Artikel führt auch Amnesty Internationals anhaltende Klage über diesen Mißstand an.
siehe: Jugendliche fallen

mehr zum Thema (in englisch): wraytimes.com/group27/u18

Army training practices called into question
(update to AI Index: EUR 01/012/2005)

In July [2005] the UK government admitted that mistakes had led to the bullying of young recruits in the armed forces in response to a highly critical report from the Parliamentary Defence Select Committee in March. However, two main recommendations made by the Committee in its report remained unheeded, namely the establishment of an independent complaints mechanism for people in the army, and for the government to consider the consequences of raising the age of recruitment from 16 to 18.

AI had raised concerns in 2003 over the high incidence of deaths of UK soldiers in non-combat situations (see AI Index: EUR 45/004/2003*), and the lack of independent investigations into their deaths
Quellen:
-
Europe and Central Asia: Concerns in Europe & Central Asia bulletin July-December 2005 (01/12/2006)
- * United Kingdom: Army Barracks Deaths: Families Demand Justice (18/06/2003)


Saturday, August 25, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze

Menschenrechte im "Krieg gegen 'Terror'"


The Guardian berichtet, dass der schottische Justizminister Untersuchungen in Vorwürfe von der Benutzung britischer Flughäfen für Überstellungsflüge eingeleitet hat. Einem neuen Bericht nach sollen Flughäfen in Schottland 107 mal zum Auftanken von CIA “rendition” Flugzeugen gedient haben, in denen mindestens sechs ‘Terrorismus’-Verdächtige transportiert worden seien.
Scottish inquiry into 'rendition' flights by CIA von Severin Carrell

Friday, August 24, 2007

 

* Konferenz im Oktober, Berlin

Terrorismusbekämpfung und Menschenrechtsschutz


I. Teil: Die Verantwortung Deutschlands und der EU bei der Durchführung von "Rendition" Flügen durch die CIA

II. Teil: Antiterrormaßnahmen und der Schutz der Menschenrechte

Zeit
: 4. und 5. Oktober 2007

Ort: Landesvertretung Bremen
Hiroshimastraße 24
10 785 Berlin Tiergarten

Veranstalter:
- Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)

- Holtfort Stiftung
-
Amnesty International
- European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Unterstützer:
- Medico International
-
Stiftung Menschenrechte

Anmeldung erforderlich.
Siehe Pamphlet

Thursday, August 23, 2007

 

* FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT


21. Teil in der Serie
(vom Original "France: The search for justice", AI Index EUR: 21/001/2005
übersetzt von Georg Warning; siehe 20. August 2007; Anfang unter: Februar


3.1. Todor Bogdanovic
Ein beredtes Beispiel, über das sich auch der Menschenrechtsausschuss auf einer mündlichen Anhörung im Jahr 1997 besorgt zeigte, ist der Fall von Todor Bogdanovic, einem achtjährigen Roma-Jungen aus Serbien, der in der Nacht vom 19. auf den 20. August 1995 von der Grenzpolizei nahe Sospel (Alpes-Maritimes) erschossen wurde. 43 Todor Bogdanovic schlief auf dem Rücksitz eines Autos, das in einem Wagen-Konvoi von 43 Roma fuhr, die aus Novi Pazar geflohen waren und Frankreich zu erreichen versuchten. Der Konvoi, bestehend aus vier Autos und zwei Wohnwagen, fuhr in der Dunkelheit eine abgelegene Bergstraße hoch. Die beiden Grenzpolizisten gaben an, dass sie versucht hätten, den Konvoi anzuhalten, als er sich dem Kontrollposten näherte. Sie behaupteten, sieh hätten Uniform getragen, und der Kontrollposten sei mit einem Warnlicht markiert gewesen. Als die ersten beiden Fahrzeuge nicht anhielten, sondern erst das Tempo verlangsamten und dann Gas gaben und dem Polizeiauto auswichen, habe ein Beamter drei Schüsse abgegeben: einen mit Hartgummi-Munition auf das erste Auto, und zwei mit Metallprojektilen auf das zweite. Er hatte seine Schusswaffe (eine pump-action shotgun) direkt nach Abschuss der Gummi-Munition mit der Metallmunition geladen. Bei einer Schusswaffe dieser Art muss man für jeden einzelnen Schuss extra den Abzug drücken. Die auf das zweite Auto abgegebenen Schüsse, das vom Vater des Kinds gefahren wurde, durchschlugen die Heckscheibe aus nächster Nähe, traten an der Schulter von Todor Bogdanovic ein und beim Brustkorb aus.

Die Angehörigen seiner Familie gaben an, dass sie weder ein Warnlicht noch Uniformen gesehen hätten, sondern nur “Schatten”, und dass sie Angst gehabt hätten, es habe sich um Banditen gehandelt. Auch seien die Lichter des Polizeifahrzeugs nicht an gewesen.

Die Mitglieder des Konvois beantragten sofort politisches Asyl, aber nur die nächsten Angehörigen des Kindes erhielten einen vorübergehenden Aufenthalt in Frankreich. Am Tag nach den Todesschüssen wurde der Rest des Konvois, darunter mindestens ein wichtiger Augenzeuge, eventuell auch mehr, aus Frankreich abgeschoben. Sie wurden deshalb im Laufe der gerichtlichen Untersuchungen nie vernommen. Im Juni 1997 entschied der Staatsrat (Conseil d’Etat), dass die Abschiebebefehle illegal waren. Diese wurden darauf annulliert.

Es wurden polizeiliche und richterliche Ermittlungen eingeleitet. Der betroffene Polizeibeamte gab an, er habe sich durch die heranfahrenden Autos bedroht gefühlt, die auf ihn zuzufahren schienen, als er auf der Straße stand. Er habe aus Notwehr (“légitime défense”) gehandelt. Die polizeiinterne Untersuchung durch die Inspection générale de la police nationale (IGPN) konnte nicht feststellen, dass der Beamte aus Notwehr gehandelt habe. Ihr zufolge sollen die Schüsse auf das zweite Auto voreilig abgegeben worden sein (“coups de feu intempestifs”). Der stellvertretende Staatsanwalt von Nice wurde mit den Worten zitiert: “Auf das Argument der Notwehr kann man sich nicht uneingeschränkt berufen ... Notwehr kann nicht einfach unterstellt werden, sie muss bewiesen werden. Den vorläufigen Ergebnissen der IGPN zufolge scheint es allerdings, dass die Schüsse voreilig abgegeben wurden.” Gegen den Beamten wurden Ermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge eingeleitet (coups et blessures volontaires ayant entraîné la mort sans intention de la donner). Er wurde zur Verfügung des Richters auf freien Fuß gesetzt. Die Familie Bogdanovic reichte als Zivilpartei Klage ein.


Im Dezember 1996 entschied der Untersuchungsrichter jedoch die Archivierung des Verfahrens (ordonnance de non-lieu). Der Staatsanwalt schien mit dem Richter einer Meinung, dass der Beamte instinktiv und aus Angst so gehandelt habe – dass er, mit anderen Worten, rechtmäßig befürchtet habe, dass sein Leben durch die durch am Kontrollpunkt beschleunigenden Autos in Gefahr sei. Die Familie Bogdanovic legte unmittelbar Berufung gegen das Urteil ein. Der Fall kam vor die chambre d’accusation des Berufungsgerichts in Aix-en-Provence, die im Dezember 1997 die Entscheidung aufhob. Das Gericht ging davon aus, dass die beiden Beamten deutlich als Polizisten erkennbar gewesen seien und dass der Konvoi aus Angst vor einer Rückschiebung (refoulement) vorsätzlich durch die Straßensperre gefahren sei. Das Gericht argumentierte jedoch, dass von Notwehr nur dann hätte die Rede sein können, wenn der Beamte gezwungen gewesen wäre, das Feuer zu eröffnen, um den zweiten Wagen anzuhalten, bevor er vorbeigefahren war. Statt dessen habe er von der Seite aus der Hüfte das Feuer eröffnet, und von hinten, als der Wagen schon vorbei fuhr. Das Gericht wies auch darauf hin, dass der Beamte jedesmal den Abzug drücken musste, um einen Schuss auszulösen. Auch wenn die für einen Schuss benötigte Zeit nur kurz sei, sollte sie doch ausgereicht haben, ihm die Entscheidung zu erlauben, nicht mehr weiter zu schießen, nachdem die mögliche Gefahr vorüber war.


Der Fall kam dann vors Schöffengericht von Alpes-Maritimes. Im Dezember 1998 sprach dieses Gericht den Polizeibeamten wegen Notwehr frei. Der Staatsanwalt hatte nur die Verhängung einer symbolischen Strafe (peine de principe) beantragt, weil die Voraussetzungen für Notwehr gegeben gewesen seien, als das Auto die Straßensperre durchbrach, dass der Beamte aber keine Notwehr mehr für sich in Anspruch nehmen konnte, wenn er – wie in diesem Fall – nach dem Passieren des Fahrzeugs noch weiter darauf schoss. Es handle sich daher um ein graduelles Problem.


Amnesty International hatte einen Anwalt als Prozessbeobachter entsandt. In seinem Bericht an die Organisation teilte der Beobachter seinen “klaren Eindruck” mit, dass der Staatsanwalt (avocat général) anscheinend die Rolle der Verteidigung übernommen hatte, was die Sache des Polizeibeamten beträchtlich erleichterte und umgekehrt den Stand der Zivilparteien und des Anwalts, der die Familie Bogdanovic vertrat, “äußerst schwierig” gestaltete. Zu keinem Zeitpunkt habe der Staatsanwalt auch nur angedeutet, dass der Beamte nicht gezwungen gewesen sei, den dritten, tödlichen Schuss, abzugeben, oder darauf hingewiesen, dass der zweite Beamte den Einsatz seiner Schusswaffe nicht für nötig befunden habe. Zur entscheidenden Frage, wieviel Zeit der Beamte zur Verfügung gehabt habe, um über die Abgabe des Schusses zu entscheiden, hatte der Staatsanwalt argumentiert, dass eine Verurteilung des Beamten seine Handlung künstlich in Einzelschritte aufsplitten würde. Das Geschworengericht solle vielmehr einen “psychologischen” Ansatz wählen und seine Handlung als eine durchgehende, einer Einzelentscheidung entspringende Aktion betrachten. Der Beobachter bemerkte auch, dass der vorsitzende Richter nicht den Eindruck “völliger Unparteilichkeit” erweckte, sondern eine deutliche Voreingenommenheit zugunsten des Angeklagten (und in diesem Fall auch des Staatsanwalts) und zulasten der Zivilpartei an den Tag legte. Er wies auf das massive Überwiegen von Zeugen der Verteidigung hin, gegenüber nur einem einzigen Zeugen für die Zivilpartei. Der Prozess kam ihm vor wie eine “Chronik eines angekündigten Freispruchs”, wie eine Zeitung es treffend beschrieb.


Damals konnte gegen die Entscheidung des Schöffengerichts keine Berufung eingelegt werden, aber angesichts der Haltung, die der Staatsanwalt (avocat général) einnahm, ist es unwahrscheinlich, dass er Berufung eingelegt hätte, selbst wenn das Gesetz schon geändert gewesen wäre und ihm eine Berufung gegen den Freispruch ermöglicht hätte.

Bei den Beamten handelte es sich um Angehörige der Direction centrale du contrôle de l’immigration et de la lutte contre l’emploi des clandestins (Zentraldirektion zur Kontrolle der Einwanderung und der Bekämpfung der Beschäftigung von Illegalen - DICCILEC). Sie wurde in einem Klima wachsender Spannungen in Frankreich mit Bezug auf „Terrorismus“ und illegale Einwanderung geschaffen.

43 Bei den Beamten handelte es sich um Angehörige der Direction centrale du contrôle de l’immigration et de la lutte contre l’emploi des clandestins (Zentraldirektion zur Kontrolle der Einwanderung und der Bekämpfung der Beschäftigung von Illegalen - DICCILEC). Sie wurde in einem Klima wachsender Spannungen in Frankreich mit Bezug auf „Terrorismus“ und illegale Einwanderung geschaffen.

* Nachrichten von Europa in Kürze

The Guardian berichtet vom britischen Verteidigungsministerium, dass es eine "enhanced blast" Waffe in Afghanistan einsetzen will. Diese Waffe zerstört und tötet mit mächtigen Druckwellen. Sie würde nicht wie die thermobarischen Bombentypen, (z.B. die US-amerikanischen "bunker busters") zusätzlich Hitze entwickeln und wäre in voller Übereinstimmung mit GBs Verpflichtungen unter internationalem humanitärem Recht entwickelt worden. ("These have been procured in full accordance with the UK's obligations under international humanitarian law.", wie der Verteidigungsminister im Artikel zitiert wird).
siehe: Army gets new 'enhanced blast' weapon to fight Taliban von Richard Norton-Taylor

Monday, August 20, 2007

 

* FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT


20. Teil in der Serie

(vom Original "France: The search for justice", AI Index EUR: 21/001/2005
übersetzt von Georg Warning; siehe 6. August 2007; Anfang unter: Februar


3. Polizeiliche Todesschüsse
Im vergangenen Jahrzehnt hat Amnesty International wiederholt ihre Besorgnis über Berichte geäußert, wonach Polizeibeamte leichtfertig und der Situation völlig unangemessen Zwangsmittel anwenden. Sie hat sich - wie schon erwähnt -auch besorgt über den rechtlichen Ausgang solcher Fälle gezeigt, namentlich über die Verschleppung der Verfahren, Verhängung rein symbolischer Strafen, unzureichende Berufungsmöglichkeiten für Zivilparteien und den Missbrauch von "Notwehr" und "Notstand", um Polizeibeamte von der strafrechtlichen Verantwortung zu befreien.

Das Recht auf Leben wird nach Artikel 2 der EMRK (es darf nur das absolut notwendige Maß an Gewalt eingesetzt werden) und Artikel 6 des IPbpR (niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden) garantiert. Darüber hinaus verlangen internationale Standards, dass alle Staaten sicherstellen, dass Beamte mit Polizeibefugnissen
Falls der Einsatz von Zwangsmitteln und Schusswaffen unvermeidbar ist, bestimmt Prinzip 5 der UN-Grundprinzipien unter anderem, dass Beamte mit Polizeibefugnissen:

"a) Zurückhaltung bei dem Einsatz zu üben und die Verhältnismäßigkeit gegenüber der Schwere der Straftat und dem legitimen Handlungsziel zu wahren (haben);
b) den Schaden und die Verletzungen auf ein Mindestmaß zu beschränken und das
menschliche Leben zu achten und zu wahren (haben);
c) sicherzustellen (haben), daß jeder verletzten oder sonst beeinträchtigten Person zum frühestmögli-chen Zeitpunkt Hilfe und ärztliche Versorgung zuteil wird;"

International Normen betonen die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit, wenn es darum geht zu beurteilen, ob der Einsatz von Gewalt zum Schutz des Lebens legitim und absolut unvermeidbar ist. Prinzip 9 der Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen besagt: "… Beamte mit Polizeibefugnissen dürfen gegen Personen nicht von der Schußwaffe Gebrauch machen, es sei denn zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung anderer gegen eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder eine gegenwärtige Gefahr schwerer Körperverletzung" oder um die Begehung "… eines besonders schwerwiegenden Verbrechens, das eine ernstliche Gefahr für menschliches Leben bedeutet," zu verhüten bzw. "zur Festnahme einer eine solche Gefahr verkörpernden Person" und "nur dann, wenn diese Zwecke durch mildere Mittel nicht erreicht werden." Der Artikel fährt fort: " Ein gezielter tödlicher Schußwaffengebrauch ist allenfalls dann zulässig, wenn er zum Schutze menschlichen Lebens absolut unvermeidbar ist."

Prinzip 7 fordert die Regierungen auf, sicherzustellen, dass "der willkürliche oder mißbräuchliche Einsatz von Gewalt oder Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen als eine Straftat nach seinem Recht bestraft wird." Regierungen und Polizeiorgane sind weiterhin gehalten, ein "wirksame Berichts- und Überprüfungsverfahren" einzurichten, wenn die Anwendung von Gewalt und der Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen den Tod oder eine schwere Körperverletzung verursacht.

Prinzip 9 der Prinzipien über eine wirksame Verhütung und Untersuchung außergesetzlicher, willkürlicher und standrechtlicher Hinrichtungen 42besagt: "In allen mutmaßlichen Fällen außergesetzlicher, willkürlicher und standrechtlicher Hinrichtungen, darunter auch in Fällen, in denen Beschwerden von Angehörigen oder andere verlässliche Berichte einen unnatürlichen Tod annehmen lassen, ist eine gründliche, zügige und unparteiische Untersuchung abzuhalten…" Prinzip 18 besagt, dass die Täter vor Gericht zu stellen sind. Prinzip 11 bestimmt, dass dann, wenn die geschaffenen Ermittlungsverfahren mangels Expertise oder mangels Unparteilichkeit oder wegen der Bedeutung des Falls oder wegen Klagen der Familie über unangemessene Ermittlungsverfahren oder aus anderen gewichtigen Gründen ungeeignet sind, die Regierungen eine unabhängige Untersuchungskommission mit der Durchführung betrauen sollen.

Prinzip 20 fordert, dass die Familien und Angehörigen von Opfern solcher Hinrichtungen das Recht haben sollen, innerhalb vernünftiger Zeit angemessen entschädigt zu werden.

Amnesty International ist u.a. über die dehnbaren und gelegentlich phantasievollen Interpretationen der Begriffe der "Notwehr" und des "Notstands" höchst beunruhigt, und fordert die Behörden auf, die Anwendung des Gesetzes durch die Gerichte zu überprüfen. Im folgenden Abschnitt werden fünf Beispiele - es gibt noch mehr - für Todesschüsse aufgeführt, die zwischen 1995 und 2003 vor Gericht kamen. Da der Ursprung dieser Fälle mehrere Jahre zurück liegt und sie jetzt abgeschlossen sind, ist es möglich, ihre Geschichte von Anfang bis Ende zu verfolgen. Die Bedenken, die sie wecken, sind noch immer aktuell. Keines der Opfer, um die es hier geht, trug eine Schusswaffe, mehrere von ihnen waren bis dahin nicht vorbestraft.

40 Grundprinzip 4 der Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen (UN Basic Principles), angenommen vom Achten Kongreß der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger, der vom 27. August bis zum 7. September 1990 in Havanna, Kuba, stattfand.
41 Verhaltenskodex für Beamte mit Polizeibefugnissen, angenommen von der UN-Vollversammlung mit Resolution 34/169 vom 17. Dezember, Artikel 3, Kommentar.
42 Empfohlen durch Resolution des Wirtschafts- und Sozialrats 1989/65 vom 24. Mai 1989

* Nachrichten von Europa in Kürze

The Guardian berichtet von Vorwürfen von Folter im Fall eines mit "Terrorismus" angeschuldigten Briten, Mohammed Fahsi, der in Spanien im Januar 2006 verhaftet worden war. Die Misshandlungen seien in den ersten vier Tagen seiner Haft in Madrid erfolgt und entsprächen dem Muster von Guantánamo-Misshandlungen: extreme Kälte, Schläge, Schlafentzug, Lichtüberflutung und Drohungen. Der Sprecher der Zivilgarde behaupte, diese Vorwürfe seien unzutreffend.
siehe Artikel: Terror suspect's family claims he was tortured by Spanish police von Duncan Campbell und Giles Tremlett

Thursday, August 16, 2007

 

* Bulletin August 07

Das West Europa Bulletin bringt Berichte, Nachrichten, Hintergrundinformation von Amnesty International zum Länderschwerpunkt. Es kann als A4 Dokument ausgedruckt werden und umfasst 4 Seiten.

Die im Bulletin aufgeführten Anlagen finden Sie hier zum Herunterladen, bzw. als Link:
- Apellpostkarte (vorn)
- Appellpostkarte (hinten)
- Appellmusterbrief (unten auf der Seite im Fenster) von amnesty.org (englisch)
- Hintergrundinformation in Deutsch von amnesty.de
(sieh dazu auch Blogeintrag vom 14. August: Die EU muss gegen Überstellungen einschreiten)

- Tips zum Briefeschreiben von amnesty.de

Bei Appellbriefen bitte nicht Datum, Unterschrift und Adresse vergessen.


Wednesday, August 15, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze


Flüchtlingsleid

The New York Times
berichtet über 14 Ertrunkene, die die italieneische Küstenwache im Mittelmeer entdeckt hat.
Italy: Refugee Bodies Seen Off Coast von Ian Fisher

- Frankfurter Rundschau: Flüchtlingsdrama im Mittelmeer - 14 Leichen vor Lampedusa
- Der Tagesspiegel: Tote Flüchtlinge im Mittelmeer entdeckt (14. August)

candlesiehe auch Amnesty International: Amnesty International’s contribution to the Global Forum on Migration and Development, Brussels 10 – 11 July 2007
darin: "Protect the human rights of irregular migrants" S. 5 ff
AI fordert, dass auch das Problem von Bootsflüchtlingen pragmatisch angegangen wird, unter Berücksichtigung und Mitarbeit aller Beteiligten und unter unbedingter Einhaltung fundamentaler Rechte.
>> - AI calls on states to develop and administer rights-respecting, transparent and nondiscriminatory legal channels for migration, which respond to the real needs of their economies and not merely to the populist demands of anti-immigrant rhetoric;
- AI calls on States and other actors to ensure the protection of human rights of all migrants – including those deemed to be irregular by the government – when developing policies to deal with irregular migration;<<
Misshandlung
Der Tagesspiegel berichtet über die Forderung der Verteidiger von Bundeswehr-Ausbildern für Freispruch
>>MÜNSTER - Im Prozess um die Misshandlung von Bundeswehr-Rekruten in einer Coesfelder Kaserne hat die Verteidigung Freisprüche für vier der Angeklagten verlangt.<<
Menschenrechtsverstöße von oppositionellen Gruppen
14. August

Die Neue Zürcher Zeitung berichtet über ein entdecktes Waffenlager der ETA in südfranzösischen Biarritz Waffen der Terrororganisation ETA in Südfrankreich entdeckt

- Der Tagesspiegel: Waffenlager der ETA ausgehoben
>>Die französische Polizei hat in einer Garage in Südfrankreich große Mengen Sprengstoff entdeckt. Offenbar handelt es sich um ein Waffenlager der ETA, die im Juni den Waffenstillstand mit der spanischen Regierung beendet hatte.<<
candlesieh dazu Amnesty International: Spain: Human rights cannot wait

AI appelliert dabei an alle Beteiligten, fundamentale Menschenrechte unbedingt zu achten. AI verurteilt Erschießungen, Bombenattentate und ander grobe Verstöszlig;e durch oppositionelle Gruppen weltweit.
>>Amnesty International also urged ETA to address alleged ongoing human rights abuses, including harassment, threats, economic extortion and other violent or intimidating acts against civilians, and called on ETA to ensure the end of human rights abuses was complete and irreversible.<<
Migration und Diskriminierung
Die stellvertretende Generalsekretärin des Europarates, Maud de Boer-Buquicchio, ruft Italien auf, Maßnahmen zur Integration von Roma zu ergreifen.
"Wenn ein Roma-Kind aufgrund seiner bedauerlichen Lebensbedingungen stirbt, ist die ganze Gesellschaft dafür verantwortlich, nicht nur die Eltern"
- siehe Webseite des Europarats
- siehe auch: Dosta! Go beyond prejudice, discover the Roma! von der "Council of Europe" Roma Division


13. August
Der Tagesspiegel berichtet über illegale Roma Einwanderer und die Tatenlosigkeit der Behörden. Vier Kinder starben, als eine Slumsiedlung unter einer Brücke in Livorno in Flammen aufging. Roma in Italien "Ein gesamteuropäisches Problem“
>>Nach dem Tod von vier Kindern diskutiert Italien über den Umgang mit Roma.<< von Paul Kreiner


Tuesday, August 14, 2007

 

* Die EU muss gegen Überstellungen einschreiten

Kampagnen Logo
Portugal hat nun die EU Präsidentschaft übernommen. Schreiben Sie dem portugiesischen Premierminister und bitten Sie ihn, sich zu bemühen, dass alle Regierungen in der EU daran arbeiten, Überstellungsflüge und geheime Haft abzuschaffen.


Auf der Webseite von amnesty.org finden Sie unter Act now einen Musterbrief an den portugiesischen Premierminister (in Englisch), den Sie aber auch höflich in eigenen Worten formulieren können. Bitte beachten Sie in diesem Fall die Briefschreibe Tips.

Die AI Anliegen sind folgend:

EU Mitgliederstaaten sollten
Hintergrundinformation: rendition
>>[...] Mit diesem Begriff – übersetzt „Überstellung“ – umschreiben die USA ihre Praxis, des Terrorismus verdächtige Personen ohne jegliche rechtsstaatliche Kontrolle in verschiedene Länder zu veschleppen. Schätzungsweise mehrere hundert Menschen sind seit 2001 von der CIA als Gefangene in vorgeblichen Privatflugzeugen über Ländergrenzen hinweg transportiert worden.
Oft führen die geheimen Gefangenenflüge in Länder, die für ihre Foltermethoden berüchtigt sind. [...]

Rund tausend Flüge durch europäischen Luftraum
amnesty international hat die Flugdaten von Flugzeugen analysiert, die vermutlich an „Renditions“ beteiligt waren. Demnach führten an die tausend verdächtige Flüge durch europäischen Luftraum. Die CIA hat die Verschleppungen über ein Geflecht von Scheinfirmen abgewickelt, teilweise aber auch Maschinen von privaten Fluggesellschaften gechartert. [...]<<

zitiert aus: Kampagnen & Aktionen Keine Flüge in die Folter! auf der Webseite der deutschen Sektion

Monday, August 13, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze

The Independent berichtet über aus afrikanischen Ländern eingeschleuste Kinder, die in Großbritannien Sklavenarbeit und mitunter Misshandlung und sexueller Ausbeutung preisgegeben sind. Dem Artikel zufolge hat eine Reihe von Nicht-Regierungsorganisationen wie Unicef und Afruca (Africans Unite Against Child Abuse) dieses Unrecht angeprangert. Das britische Innenministerium erkenne den Misstand an und verspräche, zu handeln.
siehe:
Britain's 'invisible army' of African slaves von Emily Dugan

Am 10. August berichtete Stephan Löwenstein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) über den Vorwurf des UN Flüchtlingshilfwerks UNHCR gegen Deutschland in seinem Umgang mit Flüchtlingen: UNHCR: Deutschland bricht Völker- und Europarecht. Betroffen sind die Wohnsitzfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit.

Wednesday, August 08, 2007

 

* Jamil el-Banna soll nach Hause kommen

candleAmnesty International dankt allen, die sich an der Eilaktion für Jamil el-Banna beteiligt hatten (siehe Blog Eintrag vom 2. August). Die britische Aussenministerin Jaqui Smith hat die US Behörden formell für die Freilassung el-Bannas und vier weiterer Guantánamo Insassen gebeten, die zwar keine britische Staatsbürgerschaft, aber in GB ihr Zuhause haben.
- Siehe UA 196/07-1 UNITED KINGDOM: Jamil el-Banna (m), Jordanian national
AI Index: EUR 45/015/2007

Mehr zum Thema:
- The Times :Britain demands Guantanamo releases
- The Guardian: Government requests return of British residents from Guantánamo Bay von Vikram Dodd and Richard Norton-Taylor
- The Independent: Ministers ask for British residents held at Guantanamo to be released von Nigel Morris
- The New York Times: Britain Asks to Take Back 5 Guantánamo Detainees von Raymond Bonner
- Der Tagesspiegel: London fordert Freilassung von Nicht-Briten aus Guantanamo

Weitere Nachrichten von Europa

Das Deutsche Institut für Menschenrechte bietet ein Informationsportal an zu
Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit

6. August 2007

Europarat Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg macht auf Lage der Migranten-Kinder aufmerksam
Children in migration deserve better protection
Migrantenkinder gehören immer noch unter den schutzlosesten Gruppen in Europa
(siehe zum Beispiel auch Blog Eintrag: inhaftierte Flüchtlingskinder auf den Kanaren)
Das "Separated Children in Europe Programm" stellt Richtlinien vor.
"Die Rechte aller unbegleiteten Minderjährigen, die nach Europa kommen oder die durch Europa reisen, werden verwirklicht. Ihnen wird Schutz gewährt, ihr Wohlergehen und ihre persönliche Entwicklung werden gefördert. [...]"


Monday, August 06, 2007

 

* Nachrichten von Europa in Kürze

tagesschau.de berichtet, dass ehemalige Mitinsassen von Großbritannien Anschuldigungen von Murat Kurnaz bekräftigen, nach denen zwei Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) ihn in Kandahar 2002 misshandelt haben sollen. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft in Tübingen die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Artikel: Staatsanwalt ermittelt wieder gegen KSK-Soldaten
siehe auch
- Tagesspiegel: Wieder Ermittlungen gegen KSK-Soldaten
- FAZ: Ermittlungen wieder aufgenommen

The Guardian berichtet von Parlamentsmitgliedern aller Parteien in Großbritannien, die gemeinsam gegen Präsentation und Verkauf von Folterinstrumenten (Elektroschockwaffen, Fußfesseln, Streubomben) auf Waffenmärkten protestieren.
Prevent torture equipment sales at arms fairs, say MPs von Richard Norton-Taylor

 

* FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

19. Teil in der Serie
(vom Original "France: The search for justice", AI Index EUR: 21/001/2005
übersetzt von Georg Warning; siehe 1. August 2007; Anfang unter: Februar 2007)


2.9. Problem der Identifizierung
Amnesty International ist über Fälle besorgt, die mit einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens enden, weil die verantwortlichen Polizisten nicht zu identifizieren waren. Das Problem, die Polizeibeamten zu identifizieren, die eventuell in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, ergibt sich vor allem dann, wenn ein mutmaßliches Opfer polizeilichen Machtmissbrauchs keine polizeiunabhängigen Zeugen hat, oder wenn Polizisten sich weigern, gegen ihre Kollegen auszusagen oder wenn diejenigen, die die Ermittlungen durchführen, von ihnen keine Zeugenaussagen einholen. Ein Problem entsteht natürlich auch, wenn Beamte in Zivilkleidung agieren und keine Armbinde mit Nummer tragen, oder wenn sie keine eindeutigen Identifizierungszahlen auf ihren Uniformen tragen.

Im Januar 2005 beendete das Berufungsgericht von Paris ein Untersuchungsverfahren wegen polizeilicher Misshandlung, der Abdelhamid Hichour und Abdassamad Ayadi am 30. September 1999 in l’Hay-les-Roses ausgesetzt waren. Das Gericht stimmte zu, dass die polizeiliche Gewaltanwendung “illegal” (“illégitime”) und “unentschuldbar” (“inexcusable”) gewesen sei, konnte unter den vielen anwesenden Beamten die Verantwortlichen jedoch nicht identifizieren. Laut Berichten nahmen bis zu 25 Polizeimannschaften an der Festnahme teil, die auf einen Einbruch und eine Auto-Verfolgungsjagd folgte. Einigen Polizeibeamten war es gelungen, die beiden jungen Männer in ihre Gewalt zu bringen. Hierauf ließ eine andere Gruppe nicht identifizierter Beamter einen Hagel von Schlägen auf die beiden niedergehen, speziell auf Abdelhamid Hichour, der dabei bewusstlos wurde. Die beiden Opfer wurden darauf für 10 bzw. 9 Tage völlig arbeitsunfähig geschrieben (incapacité totale de travail – ITT). Trotz der Ermittlungen eines Untersuchungsrichters von Créteil, in deren Verlauf die Beamten systematisch den Misshandlungsopfern gegenübergestellt wurden, war eine Identifizierung nicht möglich, laut Berichten deshalb, weil eine so große Zahl von Polizisten an diesem Vorfall beteiligt war. Der Fall wurde daher am 22. Oktober 2002 geschlossen (ordonnance de non-lieu). Die Entscheidung wurde im Januar 2005 bestätigt.

In ihrem Jahresbericht 2003 erwähnte die CNDS den Fall der beiden Brüder Samir und Mounir Hammoudi, beides Studenten marokkanischer Abstammung, die im Juli 2002 von Polizisten massiv geschlagen wurden, sowohl während ihrer Haft in der Polizeiwache von Saint-Denis (Seine-Saint-Denis) als auch davor. Während der Dauer des Polizeigewahrsams mussten sie zur Behandlung ihrer Verletzungen in drei verschiedene Krankenhäuser gebracht werden. Die IGS bestätigte, dass die Polizeibeamten illegal Gewalt gegen sie ausgeübt hätten. Beim Gericht von Bobigny wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet, die CNDS übermittelte die Beweismittel sowohl an den Staatsanwalt als auch an den Innenminister. Die CNDS erwähnte eine Antwort, die sie 2002 vom Innenminister erhalten hatte, wonach es “verfrüht” sei, Disziplinarmaßnahmen zu erwägen, da angesichts der Zahl der an den Übergriffen beteiligten Beamten keine persönliche Verantwortung festgestellt werden konnte.

Der Fall von Baba Traoré (5.3.) veranschaulicht die Probleme, die man hat, wenn man versucht, Anzeige zu erstatten und keine anderen Zeugen existieren als Polizisten, die aus Gründen der “Solidarität” nicht bereit sind, gegen Kollegen auszusagen. Dies scheint auch bei Karim Latifi (5.5.) der Fall zu sein, obwohl es bei dem Angriff gegen ihn zahlreiche Augenzeugen gab.

Der Bericht von Citoyens-Justice-Police (siehe oben) erwähnt den Fall eines (unbewaffneten) Mannes, der eine gewalttätige Auseinandersetzung mit mehreren Polizeibeamten hatte, als er am 9. August 2000 eine Diskothek in Mulhouse verließ. Der alkoholisierte Mann wurde zur Polizeiwache gebracht. Auf der Fahrt wurde er so hart ins Gesicht geschlagen, dass die Verletzungen nach Einschätzung des Arztes 27 Tage zur Heilung benötigten. Der Mann erstattete Anzeige. Das Strafgericht Mulhouse erkannte an, dass er gewaltsam angegriffen worden sei, sprach aber beide Beamten frei, weil es nicht feststellen konnte, wer von den beiden den Schlag geführt hatte.

* Nachrichten von Europa in Kürze

timesonline.co.uk Dia-Folge:
The police shooting of Jean Charles de Menezes
(siehe Mittelspalte)

The Guardian berichtet, dass Bisher al-Rawi sich als einer von drei ehemaligen Guantánamo Gefangenen einer Anklage von der American Civil Liberties Union gegen die Flugfirma Jeppesen angeschlossen hat, die beschuldigt wird, ihre Boing für "Geisterflüge" zu geheimen Gefängnissen zur Verfügung gestellt zu haben.
'Torture flight' airline sued by MI5 informer von David Rose

Friday, August 03, 2007

 

* Fortsetzung zu: "Stockwell 2" Bericht - Jean Charles de Menezes

siehe auch Blogeintrag vom 2. August

The Times berichtet vom "Stockwell 2" Report, der gestern veröffentlicht worden ist und auf Beschwerden der Menezes Familie eingeht, die wissen wollte, warum die Polizei bei der Erschießung von Jean Charles de Menezes falsche Informationen an die Öffentlichkeit weiteregereicht hatte. (Der "Stockwell 1" Report ging direkt auf den Vorfall im Juli 2005 ein).

Die IPCC (Independent Police Complaints Commission) beschuldigt darin den Leiter der Anti-Terror Einheit, sich zur gezielten Irrefführung der Bevökerung entschieden gehabt zu haben. Diese Anschuldigung verursache Spannungen zwischen der Kommission und der Polizei, die sich als Opfer einer Sündenbockjagd verstehen.

Weder The Times noch "Stockwell 2" scheinen der Frage nachzugehen, wie die Handlungen der Polizei in Beziehung zur politischen Entscheidung bezüglich Vollmachten bei der Verfolgung Terrorverdächtiger einzuordnen ist, besonders, wenn Schusswaffen gebraucht werden. Auch The Guardian geht nur soweit, ernste Zweifel über die vermeintliche Ahnungslosigkeit von Hauptkommissar Sir Ian Blair von der Metropolitan Police zu ässern.

Jean Charles de Menezes war über einen längeren Zeitraum auf seinem Weg von Zuhause zur Untergrundbahn von der Einheit beschattet worden. Beim Betreten des Waggongs war er durch sieben gezielte Kopfschüsse getötet worden. "Es war das erste Mal, dass die Richtlinien aus dem Jahr 2003 angewandt wurden, wonach die Polizei bei Verdacht auf einen Selbstmordattentäter gezielte Todesschüsse abgeben darf.", wie die TAZ berichtet


Quellen (alle vom 3. August 2007):
The Independent
bringt unter anderem einen Zeitplan der Ereignisse unmittelbar nach der Erschießung in:
Counter-terrorism chief 'misled public' over Menezes shooting von Kim Sengupta and Nigel Morris

The Times: Scotland Yard under pressure as watchdog finds it misled public von Sean O’Neill and Rajeev Syal

IPCC concludes Stockwell Two investigation

The Guardian: Cleared of lying, but still questions for Met chief to answer von Sandra Laville

The New York Times: London Police Misled Public, Report Says von Jane Perlez

Die Tageszeitung TAZ: Anti-Terror-Chef "undiszipliniert" von Ralf Sotscheck

Amnesty International Dokumente zum Fall Jean Charles de Menezes


Thursday, August 02, 2007

 

* Eilaktion für Jamil el-Banna

aktualisiert vom 8. August 2007: Keine weitere Aktionen nötig!

Dies ist eine Übersetzung unter Vorbehalt, nach bestem Wissen. Verbindlich bleibt das englischsparchige Original
URGENT ACTION 196/07
United Kingdom: Forcible return/Fear of Torture: Jamil el-Banna (m)
AI Index: EUR 45/014/2007 vom 01 August 2007

Wenn Sie Appelle schreiben beachten Sie bitte dringend die Tips zum Briefschreiben

Erzwungene Rückkehr/ Drohende Folter

Großbritannien [GB]: Jamil [Dschamil] el-Banna (m), jordanischer Staatsangehöriger

Jamil el-Banna, ein jordanischer Staatsangehöriger der 1997 von GB als Flüchtling anerkannt wurde, ist in Guantánamo Bay zur Freilassung freigegeben worden und hat vor, nach GB zurückzukehren, wo seine Frau und seine fünf Kinder leben. Jamil el-Banna ist im Besitz eines neueren und gütigen Flüchtlings-Reisedokuments und sollte zur Rückkehr berechtigt sein.

Die britischen Behörden haben bis zum 9. August, um über seine Rückkehr zu entscheiden: sollten sie dies nicht tun, dann ist zu befürchten, dass er statt dessen zwangsweise nach Jordanien zurückgeführt würde; dort wäre er - wie GB bereits, als sie ihn als Flüchtling anerkannten, bestätigten - einem wirklichen Risiko von Folter ausgesetzt.

Jamil el-Banna war einer der vier Männer, die im November 2002 am Banjul Flughafen in Gambia verhaftet worden waren. Jamil el-Banna und zwei der anderen Männer waren zuvor von der Polizei in GB unter der Terrorismus-Regelung zur Befragung festgehalten, aber ohne Anklage wieder freigesetzt worden. Zwei der am Banjul Flughafen verhafteten Männer wurden im Dezember 2002 ohne Anklage freigelassen und kehrten nach GB zurück. Jamil el-Banna und ein anderer britischer Einwohner, Bisher al-Rawi, wurden kurz nach ihrer Verhaftung an US Agenten in Gambia übergeben und wurden später rechtswidrig nach Afghanistan und dann nach Guantánamo Bay überstellt. Sie wurden Betreffende von Eilaktionen 359/02 (AFR 27/006/2002, 11. Dezember 2002) und Folgeaktionen.

Bisher al-Rawi wurde im März 2007 von Guantánamo nach GB zurückgeschickt. Jamil el-Banna wird nun, ohne Anklage und Gerichtsverfahren, seit mehr als viereinhalb Jahren in Guantánamo Bay festgehalten. Am 26. Juli 2007 setzte der Oberste Gerichtshof [High Court] von England und Wales der Regierung von GB ein Ultimatum auf 16:oo Uhr am 9. August zu entscheiden, ob sie irgendwelche Einwürfe gegen Jamil el-Bannas Rückkehr von Guantánamo nach GB vorbringen würde. Die Regierung muss entscheiden, ob sie weiterhin versuchen will, Jamil el-Bannas Flüchtlingsstatus zu widerrufen, seine Reisedokumente aufzuheben und ihn aus Gründen nationaler Sicherheit am Betreten des britischen Hoheitsgebiets zu hindern.

Empfohlene Aktionen:
Senden Sie bitte schnellstmöglich Appellbriefe in Englisch oder Ihrer eigenen Sprache:
- weisen Sie daraufhin, dass Jamil el-Banna von der britischen Regierung als Flüchtling anerkannt worden ist , wegen der Gefahr von Folter oder anderer Misshandlung, die ihn in Jordanien erwarten würden, und dass seine Frau und Kinder in GB leben;
- bitten Sie die britische Innenministerin [Home Secretary] eindringlich, den USA klarzumachen, dass die britische Regierung keine Einwände gegen die Rückkehr Jamil el-Bannas nach GB hat.

Appelle an:

Rt Hon Jaqui Smith MP
Secretary of State for the Home Department
Home Office
2 Marsham Street
London SW1P 4DF
United Kingdom
Fax: +44 20 7035 4745
Email: homesecretary.submissions@homeoffice.gsi.gov.uk
Anrede: Dear Secretary of State

und an den britischen Botschafter in Deutschland:

His Excellency
Sir Peter Torry
Britische Botschaft
Wilhelmstraße 70-71
D-10117 Berlin

Anrede: Your Excellency

BITTE SENDEN SIE DIE APPELLE SOBALD WIE MÖGLICH. Vergewissern Sie sich beim Internationalen Sekretariat oder bei der deutschen Sektion von Amnesty Intenational falls Sie Appelle nach dem 9. August senden.

Stellungnahme des Europäischen Parlaments zum Fall

Mittwoch, 14. Februar 2007
Das Europäische Parlament

[...]

71. verurteilt die außerordentliche Überstellung von Bisher Al-Rawi, einem irakischen Staatsbürger, der im Vereinigten Königreich ansässig ist, und von Jamil El-Banna, einem jordanischen Staatsbürger, der ebenfalls im Vereinigten Königreich lebt, die von den gambischen Behörden im November 2002 in Gambia verhaftet wurden, anschließend US-Agenten übergeben und zunächst nach Afghanistan und später nach Guantánamo geflogen wurden, wo sie ohne Prozess und ohne jede Art von Rechtsbeistand inhaftiert sind;

72. betont, dass die dem Vorsitzenden der APPG-Arbeitsgruppe, Andrew Tyrie, bereitgestellten Telegramme des Sicherheitsdienstes des Vereinigten Königreiches MI5 an eine nicht genannte ausländische Regierung die Vermutung nahelegen, dass die Entführung von Bisher Al-Rawi und Jamil El-Banna durch teilweise falsche Informationen erleichtert wurde, die vom M15 zur Verfügung gestellt worden waren;

73. kritisiert die Weigerung der britischen Regierung, Bisher Al-Rawi und Jamil El-Banna konsularische Unterstützung zukommen zu lassen mit der Begründung, dass sie keine britischen Staatsbürger seien;

[...]

80. nimmt 170 Zwischenlandungen von im Auftrag der CIA operierenden Flugzeugen auf britischen Flughäfen zur Kenntnis und bekundet seine ernsthafte Besorgnis über den Zweck dieser Flüge, die aus Ländern kamen oder für Länder bestimmt waren, die mit außerordentlichen Überstellungen und der Verbringung von Inhaftierten in Verbindung stehen; bedauert die auf britischen Flughäfen durchgeführten Zwischenlandungen von Flugzeugen, bei denen sich herausgestellt hat, dass sie bei anderen Gelegenheiten von der CIA für die außerordentliche Überstellung von Bisher Al-Rawi, Jamil El-Banna, Abou Elkassim Britel, Khaled El-Masri, Binyam Mohammed, Abu Omar und Maher Arar und die Ausweisung von Ahmed Agiza und Mohammed El-Zari eingesetzt worden waren;

[ ... ]

siehe vollständige Quelle:
Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen [P6_TA(2007)0032]


Wednesday, August 01, 2007

 

* Zur Folter

Anthologie zur Folter

In
der schweizer Zeitschrift Orientierung stellt Nikolaus Klein im Artikel Unteilbarkeit der Menschenwürde das Buch Die Wahrheit ans Licht! von Hans-Joachim Pieper und Konrad Schüttauf vor, das Texte zur Folter durch die Jahrhunderte zusammenfasst und kommentiert. Darin wird Folter unter anderem als Mittel der Wahrheitsfindung und als Instrument der totalen Unterwerfung dokumentiert. Die Texte reichen in unsere Zeit mit der immer noch angewandten "ticking bomb" Rechtfertigung und Folter unter anderen Namen. Im Artikel heisst es:
"Gerade die Fülle der vorgelegten Begründungen, in denen die These von der Selbstaufhebung der Demokratie durch die Folter vertreten wurde, weist noch einmal auf die zentrale Stellung, welche die Frage nach der Folter für das Rechtssystem einnimmt."

Zwangsernährung

In der aktuellen Ausgabe von "The Journal of the American Medical Association" (JAMA), vom 1. August 2007 kommentieren drei Ärzte Hungerstreiks, Zwangsernährung und die Verantwortung von Medizinern ( Hunger Strikes, Force-Feeding, and Physicians' Responsibilities, von Sondra S. Cosby, MD; Caroline M. Apovian, MD; und Michael A. Grodin, MD, Seiten 563 - 566)

Darin kommen die Autoren hinsichtlich der Zwangsernährung, unter anderem in Guantánamo, zum Schluss, dass sie gegen die Genfer Konventionen verstößt, sowie gegen internationale Menschenrechte und medizinische Ethik, da die 6-Punkte-Fesselung (6-point-restraint) angewendet wurde und weiterhin wird, um [des Urteils] fähige (competent) Gefangene zur Zwangsernährung die Ernährungsschläuche durch die Nase in den Magen einführen zu können. Es heisst darin weiter, dass Mediziner Zwangsernährung unter diesen Umständen verhindern können und sollten, indem sie sich weigern, sie durchzuführen oder ihr zuzustimmen.

Etwas weiter vorne geht der Artikel auf medizinische Komplikationen (refeeding syndrome) ein, die Zwangsernährung mit sich bringt und die im Tod gipfeln können. Ein ganzes Kapitel ist auch der ethischen, rechtlichen und menschenrechtlichen Dimension des Zwangsernährens gewidtmet.

candleAmnesty International erwähnt mögliche unmenschliche Behandlung im Zusammenhang mit Zwangsernährung:
>>... a series of events precipitated a clamp-down by the authorities. These included the resumption in August 2005 of a hunger strike by detainees in protest at their indefinite detention and conditions, which continued into January 2006 amid reports of ill-treatment of detainees during force-feeding through nasal tubes....<<
in: United States of America - Cruel and Inhuman: Conditions of isolation for detainees at Guantánamo Bay; AI Index: AMR 51/051/2007 vom 5 April 2007

Amnesty International empfiehlt weiterhin dringend, dass sich Großbritannien für die in Guantánamo verbleibenden britischen Einwohner einsetzt.
>>The UK government has obligations under domestic and international law to make representations on behalf of all UK residents still held at Guantánamo Bay to ensure that their human rights are upheld. In the knowledge that the human rights of all of those held at Guantánamo Bay have been violated, and continue to be violated to date, Amnesty International considers that there exists an additional obligation on the UK authorities to demand that all UK residents be immediately returned to the UK. Upon return, they should be either released or, should there be a reasonable suspicion that they have committed a crime, they should be promptly charged with a recognizably criminal offence and tried, within reasonable time, in fair proceedings.<<
siehe: UK: Court of Appeal misses opportunity on UK residents held at Guantánamo; AI Index: EUR 45/018/2006 vom 12 October 2006

Amnesty International berichtet, dass sich Ende 2006 noch mindestens acht Einwohner Großbritanniens in Guantánamo befanden. (Europe and Central Asia - Summary of Amnesty International’s Concerns in the Region; July – December 2006; AI Index: EUR 01/001/2007 vom 1. April 2007)


 

* FRANKREICH - SUCHE NACH GERECHTIGKEIT

18. Teil in der Serie
(vom Original "France: The search for justice", AI Index EUR: 21/001/2005
übersetzt von Georg Warning; siehe 23. Juli; Anfang unter: Februar 2007)


2.8. Schusswaffeneinsatz durch Gendarmen
Seit langem schon hat Amnesty International schwerwiegende Bedenken über die weiterhin genutzten Sondervollmachten von Beamten der gendarmerie nationale hinsichtlich des Gebrauchs von Schusswaffen.37

Diese Vollmachten wurden durch ein Dekret vom 20. Mai 1903 gewährt und 1943, unter der Vichy-Regierung, per Dekret und Gesetz modifiziert. Sie gelten seither unverändert. Diese Vollmachten ermöglichen es den Gendarmen traditionell, ihre Schusswaffen ohne die Einschränkungen zu gebrauchen, wie sie für Polizeibeamte gelten. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die internationalen Normen über den Einsatz von Schusswaffen. Während Polizisten die Bestimmungen der “legitimen Verteidigung” beachten müssen, haben Gendarmen das Recht, fliehende oder ausbrechende Tatverdächtige durch Schüsse zu stoppen, solange die Schützen Uniform tragen und zuerst ein Warnsignal – z.B. einen Warnschuss in die Luft - abgegeben haben. Dies lässt den Gendarmen einen weiten Spielraum, so dass sie von der Schusswaffe leichter Gebrauch machen können als die nicht-militärische Polizei, ohne deshalb rechtliche Folgen befürchten zu müssen.

So sprach das Strafgericht von Valence (Drôme) im November 1997, vier Jahre nach den tödlichen Schüssen auf den jungen Ingenieur Franck Moret vom Juli 1993, einen Gendarmen frei, der ihm in den Hinterkopf geschossen hatte, als er mit seinem Auto wegzufahren versuchte. Begründung: er habe die Waffe legal eingesetzt. 1998 wurde der Freispruch vom Berufungsgericht von Grenoble (Isère) aufgehoben. Das Gericht erklärte: “Die Offizieren der Gendarmerie durch das Gesetz oder die Vorschriften eingeräumte Befugnis, Schusswaffen einzusetzen, um Fahrzeuge anzuhalten, ist nicht als absolute, grenzenlose Befugnis anzusehen, die den [Offizier] von der allgemeinen Pflicht entbindet, wenn schon nicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu achten, so doch zumindest vorsichtig und mit einem Minimum an beruflichem Können vorzugehen”.38 Im Januar 2000 wurde dieses Urteil jedoch vom Kassationsgericht aufgehoben, das entschied, der Beamte habe im Rahmen des Gesetzes (des Dekrets von 1903) gehandelt.

1997 erklärte das UN-Menschenrechtskomitee, dass es besorgt sei, dass “die Vollmachten der gendarmerie nationale, die grundsätzlich eine militärische Institution ist, weiter reichen als die der Polizei, wenn sie zur Wahrung der öffentlichen Ordnung im zivilen Raum operiert. Das Komitee empfiehlt dem Vertragsstaat, eine Aufhebung oder Modifizierung des Dekrets vom 22. Juli 1943 in Erwägung zu ziehen, um die Vollmachten der Gendarmerie zu reduzieren, wenn es um Einsatz von Schutzwaffen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung geht, und sie in Einklang mit den Vollmachten der Polizei zu bringen.”

Die französische Regierung weigert sich beharrlich, den Empfehlungen nachzukommen. Die Lage könnte sich aber ändern, weil der Kassationshof kürzlich entschieden hat, dass das Dekret von 1903 nicht mehr haltbar sei. Berichten zufolge wurde Romuald Laffroy 1996 von einem Gendarmen erschossen, als er ein nicht versichertes Fahrzeug fuhr. Er hatte versucht, eine Straßensperre zu umfahren. Der Gendarme war des Totschlags (homicide involontaire) angeklagt, im Oktober 2001 wurde er jedoch vom Berufungsgericht von Caen (Calvados) freigesprochen, weil das Dekret von 1903 ihm erlaubt habe, den tödlichen Schuss abzugeben. Die Familie habe daher keinen Anspruch auf Entschädigung. Der Fall wurde vor das Kassationsgericht gebracht, das seine Entscheidung offenkundig auf die internationale Rechtsprechung, d.h. auf ein Urteil des Europäische Menschenrechtsgerichtshofs stützte. 39

37 Die Vorlage von Amnesty International an das (UN-)Anti-Folter-Komitee von 1998, FRANCE: Excessive force: A summary of Amnesty International’s concerns about shootings and ill-treatment, (AI Index: EUR 21/05/98) wies auf die Bedenken hin, die auch vom UN-Menschenrechtskomitee geteilt wurden.
38 Cour d’appel de Grenoble, 29 July, arrêt no. 886/gj.
39 Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entschied 1995, dass die britische Regierung das Grundrecht auf Leben nach der EMRK verletzt habe, als ihre Agenten 1988 drei unbewaffnete Angehörige der IRA (Irish Republican Army) in Gibraltar erschossen. Der Gerichtshof erklärte, dass die Tötungen nicht notwendig gewesen seien. Er bemerkte, dass er “nicht überzeugt sei, dass die Tötung der drei Terroristen nicht mehr als das Maß an Gewalt darstelle, das absolut notwendig sei, um andere Menschen vor illegaler Gewalt zu schützen” und dass es an der “angemessenen Sorgfalt bei der Kontrolle und Organisierung der Verhaftungsoperation gefehlt” habe. McCann and Others v. the UK Series A, No. 324, Urteil vom 27. September 1995, Paragraph 213 bwz. 212.

 

* "Stockwell 2" Bericht - Jean Charles de Menezes

The Guardian berichtet von den Ermittlungen der unabhängigen Polizeibeschwerdekommission (Independent Police Complaints Commision IPCC) im Erschießungstod von Jean Charles de Menezes in London im August 2005. Dem Leiter der Abteilung zur Bekämpfung des Terrors (counter terrorism and intelligence), Andy Hayman, wird vorsätzliche Irreführung vorgeworfen. Der Bericht, Stockwell 2, soll morgen veröffentlicht werden.
siehe vollständigen Artikel im Original: De Menezes shooting: UK's top anti-terror officer is singled out von Sandra Laville
- siehe auch im The Independent: Police chief singled out over De Menezes shooting von James Macintyre
-
auf diesem Blog, zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2006, Hintergrundinformationen zum Tod von Jean Charles de Menezes, siehe unter: Großbritannien: Der gewaltsame Tod von Jean Charles de Menezes mit weiteren Amnesty International Links zum Thema


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