Saturday, March 03, 2007

 

CIA, Geheimflüge

Übersetzung des Artikels von Ignacio Ramonet: "CIA, vols secrets" in der Le Monde Diplomatique von März 2007 - 54. Jahr - No 636. Eine deutsche Ausgabe der Zeitung wird von der Redaktion der TAZ herausgegeben. Die März Nummer ist allerdings noch nicht erschienen.

Unanständigkeit? Zynismus? Perversion? Wie bewertet man die Haltung der europäischen Regierungen, die in flagranti dabei überrascht werden, wie sie sich als Komplizen einer fremden Macht am heimlichen Verschwindenlassen von Duzenden von Verdächtigten beteiligen, die in verborgene Gefängnisse verschleppt und der Folter überliefert wurden?

Kann man sich eine schlimmere Menschenrechtsverletzung in flagranti vorstellen? Zwei jüngere Ereignisse belegen eine milde Schizophrenie. Zunächst hatten sich am vergangenen 7. Februar in Paris eine Mehrzahl der UNO Mitgliedsstaaten per Unterschrift feierlich zur Ächtung von “gewaltsam verursachten Verschwinden” bekannt, womit der Gebrauch geheimer Gefängnisse zur Straftat erklärt wurde. (1) Darauf, am 14. Februar, wurde im europäischen Parlament in Straßburg ein Bericht angenommen, der eben diese Regierungen beschuldigt, in Komplizenschaft mit der US-amerikanischen Central Intelligence Agency CIA an Einsätzen von geheimen Verschwindenlassen verwickelt gewesen zu sein. (2)

Dem Bericht zufolge sind zwischen 2001 und 2005 Flugzeuge der CIA 1 245 mal von europäischen Flughäfen aufgestiegen, oft mit vermuteten Opfern von “gewaltsam verursachten Verschwinden”, die heimlich auf den Weg in das illegale Gefangenenlager in Guantánamo geschickt wurden, oder in Gefängnisse der Komplizenländer (Ägypten, Marokko), in denen es üblich ist, zu foltern. Es ist von nun an offensichtlich, dass die europäischen Länder die kriminelle Natur solcher Flüge keineswegs ignorierten. Manche unter ihnen werden sich nicht mehr damit begnügen können, die Augen zu verschließen. So sind Polen und Rumänien besonders verdächtigt, auf ihrem Boden “kleine Guantánamos” organisiert zu haben, in denen Einige inhaftiert wurden, um auf ihren endgültigen Weitertransport zu warten, nachdem man sie in Afghanistan oder Pakistan oder anderswo hatte verschwinden lassen.

Die britische Regierung steht unter Verdacht, sich am Verschwindenlassen von Verdächtigten und an deren Misshandlung beteiligt zu haben. Ebenso wie die Regierungen Schwedens und Österreichs. Was die Verantwortlichen in Deutschland betrifft, so sind sie beschuldigt, dass sie nicht über die Verschleppung einer ihrer Bürger libanesischer Herkunft, Khaled el Masri, haben ahnungslos sein können, der dann nach Afghanistan überstellt worden war. Auch der italienische Geheimdienst ist unter anderem beschuldigt, in Mailand Agenten de CIA bei der heimlichen Entführung des Imam Hassan Mustapha Ossama Nasr, alis “Abu Omar”, geholfen zu haben, der nach Ägypten überführt wurde, wo er gefoltert und vergewaltigt wurde. (3)

Diese massive Verletzung der Menschenrechte hätte nicht ohne die Dienste der hohen Amtsträger im Aussenamt der europäischen Union passieren können, des Herrn Javier Solana, wie auch seines Kollaborateurs, dem europäischen Koordinator für den Kampf gegen den Terror, Herr Gijs de Vries, die davon gewusst haben mussten. Herr de Vries entschied sich, in eleganter Geste, einzugestehen: “Die demokratischen Staaten, die gut informiert sind, müssen ihren Kampf gegen den Terror innerhalb der anerkannten Rechte führen. (...) Die Anhäufung von Grausamkeiten in Abu Ghraib und Misshandlungen in Guantánamo wie auch die Entführungen durch die CIA untergraben die Glaubwürdigkeit von den Vereinigten Staaten und von Europa.” (4)

All jene Führenden oder die Handlanger, die sich an den Verschleppungen beteiligten, sollten das Gericht fürchten. Und sie sollten das Schicksal der Frau Maria Estella Martinez, alias “Isabelita Perón” bedenken, der vormaligen Präsidentin Argentiniens, das Land, in dem im Namen des Anti-Terrors die Verantwortlichen im großen Ausmaß das politische Verschwindenlassen praktiziert hatten. Sie wurde in Madrid verhaftet und der unangemessenen Gewalt gegenüber einem Studenten, Hector Fragnetti, angeklagt, was damals im Jahre 1976 geschah und nun 31 Jahre zurückliegt. Die Gerechtigkeit bewegt sich langsam, aber sie wird unerbittlich sein.

Fußnoten
1) 60% aller Mitgliedsstaaten - wie Chile, Argentinien, Uruguay, aber nicht die Vereinigten Staaten - unterzeichneten. Mindestens fünf Staaten müssen die Convention noch unterzeichen, seit sie in Kraft getreten ist.
2) www.europarl.europa.eu
3) Ein Gerichtshof in Mailand hat am vergangenen 16. Februar ein Gerichtsverfahren gegen 26 amerikanische CIA Agenten und mehrere Mitglieder des italienischen Geheimdienstes eingeleitet, die angeklagt sind, im Februar 2003 das “gewaltsam verursachte Verschwinden” von Imam Abu Omar organisiert zu haben.
4)
El Pais, Madrid, 17. Februar 2007

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