Saturday, December 30, 2006

 

Schweden: Der Fall Mohammed El Zari und Ahmed Agiza


Am 10. November 2006 bestätigte das UN Kommittee für Menschenrechte (HRC), dass schwedische Behörden für mehrere Verstöße gegen einige der fundamentalen Menschenrechte Verantwortlich waren. Betroffen davon war Mohammed El Zari [im UN Dokument:Alzery], ein ägyptischer Asylanwärter, im Zusammenhang mit seiner und Ahmed Agizas Abschiebung von Schweden nach Ägypten im Dezember 2001. Das HRC veröffentlichte seine Entscheidung über die Mitteilung, die ihm im Juli 2005 für Mohammed el Zari angetragen worden war, wegen Schwedens vermutlichen Verstößen gegen das Internationale Bündnis zu zivilen und politischen Rechten (ICCPR).
(HRC Communication No. 1416/2005: Sweden; CCPR/C/88/D/1416/2005; 10 November 2006.)

Das Kommittee gegen Folter (CAT) war bereits im Mai 2005 zum Schluss gelangt, dass Schweden gegen grundlegende und verfahrungsbezogene Verordnungen des Anti-Folter-Konvention Artikel 3 verstoßen hatte (dem Verbot von Ausweisung, Zurückführung oder Auslieferung einer Person zu einem Staat, bei dem ernsthafte Bedenken bestehen, dass die Person dort Gefahr läuft, gefoltert oder sonst misshandelt zu werden; anders bekannt als Non-Refoulement). CAT befand Schweden auch schuldig in Verletzung des Artikel 22 (das Recht auf individuelle Petition); Agiza vs Schweden, 24. May 2005 UN Dokument: CAT/C/34/D/233/2003

Die beiden Ägypter Mohammed El Zari und Ahmed Agiza wurden nach einem unfairen Asylverfahren in Schweden, in dem sie glaubhaft versichern konnten, dass ihnen im Heimatland Folter droht, im Dezember 2001 nach Ägypten abgeschoben. An der Abschiebung waren US-amerikanische und ägyptische Geheimdienstagenten beteiligt, die die beiden Männer Berichten zufolge misshandelten. In Ägypten kamen El Zari und Agiza ohne Anklage in Haft und berichteten dem schwedischen Botschafter von Folter und Misshandlungen. Dieser unternahm nichts; die Kenntnis über mögliche Folterungen wurden später von der schwedischen Regierung abgestritten. Mohammed El Zari wurde im Oktober 2003, ohne jemals wegen eines Verbrechens angeklagt worden zu sein, aus der Haft entlassen. Ahmed Agiza wurde 2004 zu einer Strafe von 25 Jahren wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verurteilt und ist jetzt in Haft.

Das Asylverfahren

Mohammed El Zari und Ahmed Agiza hatten Asyl in Schweden beantragt und erwarteten im Dezember 2001 die Entscheidung. Am 5.12. gaben die Behörden bekannt, dass die Entscheidung nicht vor dem 20.12. zu erwarten sei. Allerdings wurden El Zari und Agiza bereits am 18.12. von der „Schwedischen Sicherheitspolizei“ (Säpo) abgeholt und nach Ägypten abgeschoben. Hintergrund war eine Entscheidung vom 18.12.01, in der die schwedische Regierung zwar feststellte, dass die Furcht der beiden Männer vor Verfolgung begründet ist. Dennoch wurde ihnen der Flüchtlingsschutz wegen ihrer Verbindung zu „terroristischen“ Organisationen verwehrt. Diese Entscheidung wurde auf der Grundlage von geheimen Informationen gefällt, vermutlich von Usamerikanischen und ägyptischen Geheimdiensten. Sie wurden den beiden Asylsuchenden und ihren Anwälten nicht in vollem Umfang zugänglich gemacht. Die schwedische Regierung begründete die Rechtmäßigkeit der Abschiebung damit, dass die ägyptischen Behörden schriftlich zugesichert hätten, dass den Männern in Ägypten keine schweren Menschenrechtsverletzungen drohen. Nach Ansicht von amnesty international ist eine solche „Diplomatische Zusicherung“ kein ausreichender Schutz gegen Folter und Misshandlung. Die schwedische Regierung hat gegen die völkerrechtlichen Verpflichtung verstoßen, niemand in ein Land abzuschieben, in denen der Person schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Die Abschiebung

Am 18.12.2001, nur wenige Stunden nach der Entscheidung der Regierung, wurden Mohammed El Zari und Ahmed Agiza abgeholt. Innerhalb weniger Stunden wurden sie in einem CIA-Flugzeug angekettet, umringt von US- und ägyptischen Agenten, nach Kairo geflogen. Bevor man sie getrennt zum Flughafen Bromma in Stockholm brachte, wurden sie einige Stunden von der Säpo festgehalten, dabei fand auch eine Leibesvisita-tion statt. Am Flughafen wurden sie einem Sicherheitsteam von etwa zehn US- und ägyptischen Sicherheits-agenten, die zivile Kleidung trugen und vermummt waren, übergeben. Diese Agenten, die sich überwiegend per Handzeichen verständigten, unterzogen El Zari und Agazi in Anwesenheit von Mitarbeitern der Säpo und zwei Vertretern der US-Botschaft in Schweden einem sogenannten „Sicherheitscheck“. Diese Prozedur führte zu ernsten Körperverletzungen bei El Zari und Agiza:
Ihre Kleider wurden mit einer Schere vom Leib geschnitten und in eine Plastiktüte gelegt. Haare, Mund und Ohren wurden gründlich untersucht. Mohammed El Zari wurde gezwungen sich vorzubeugen, dann wurde ihm ein Beruhigungsmittel in den After eingeführt und eine wasserfeste Unterhose angezogen. Andere Berichte besagen, dass beide Männer dies erdulden mussten. Ihnen wurden Overalls angezogen, ihre Augen wurden verbunden und sie wurden an Händen und Füßen gefesselt. Einer der ausländischen Agenten fotografierte diese Prozedur. Dann wurden sie barfuß, trotz der eisigen Temperaturen, zu dem wartenden Flugzeug gebracht und darin in unbequeme und schmerzhafte Positionen gezwungen. Ein Beamter der Säpo und ein ziviler Dolmetscher waren auch an Bord auf dem Flug nach Kairo. Mohammed El Zari blieben auf dem ganzen Flug die Augen verbunden und er musste eine Kapuze auf dem Kopf behalten, auch dann noch als sich der ägyptische militärische Sicherheitsdienst nach etwa fünf Stunden um ihn und Agiza kümmerte.

Foltervorwürfe und Verfahren in Ägypten

Trotz der „Diplomatischen Zusicherung“ wurden Mohammed El Zari und Ahmed Agiza nach ihrer Abschiebung in Ägypten in Isolationshaft gehalten. Bei dem ersten Besuch des schwedischen Botschafters nach fünf Wochen, berichteten sie ihm, dass sie gefoltert und in Haft misshandelt wurden. Agiza sagte, seine Augen waren während Verhören verbunden, er wurde von Gefängniswächtern geschlagen und seine Familie wurde bedroht. Mohammed El Zari sagte später, er wurde weitere fünf Wochen verhört. Dabei wurde er gefoltert, unter anderem mit Elektroschocks. Er sagte, dass die Folterungen von einem Arzt überwacht wurden, um sicher zu gehen, dass er keine sichtbaren Narben davontrage. Er wurde letztendlich gezwungen, Verbrechen zu gestehen, die er nicht begangen habe. Im März 2002 wurde er schließlich einem Staatsanwalt vorgeführt. Er klagte über die Behandlung, die er erlitten hatte. Der Staatsanwalt hielt dennoch die Entscheidung aufrecht, ihn ohne formelle Anklage in Haft zu behalten. El Zari wurde am 27. Oktober 2003 aus dem Gefängnis in Kairo entlassen, ohne jemals wegen eines Verbrechens angeklagt gewesen zu sein. Am 10. April 2004 wurde ein Verfahren gegen Ahmed Agiza in einem Militärgericht in Ägypten eingeleitet: Man warf ihm die Leitung einer illegalen Gruppe und kriminelle Verschwörung vor. (Er war 1998 bereits in Abwesenheit zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied der bewaffneten islamistischen Gruppe „Al-Gihad“ zu sein.) Nach einem unfairen Verfahren wurde er wieder zu 25 Jahren Haft ohne die Möglichkeit auf Berufung verurteilt. Im Juni 2004 wurde das Urteil vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak auf 15 Jahre gesenkt. Ahmed Agiza ist weiterhin in Ägypten in Haft. Seiner Frau und den fünf Kindern wurde 2005 der Flüchtlingsstatus in Schweden zuerkannt.

Die Rolle Schwedens

Schweden hat gegen seine Verpflichtungen nach internationalem Flüchtlingsrecht und Völkerrecht verstoßen, weil es kein faires und vollständiges Asylverfahren gewährleistete und das Verbot von Abschiebungen, wenn Folter oder Misshandlung droht (non-refoulement), nicht respektiert hat. Außerdem haben die schwedischen Behörden die Männer der Möglichkeit zu einer unabhängigen und effektiven Überprüfung der Entscheidung über die Ausweisung beraubt. Schweden hat auch das Verbot von Folter und Misshandlungen verletzt, weil die Regierung die Misshandlungen durch ausländische Agenten auf ihrem Boden und im Flugzeug nicht verhindert hat. Außerdem trägt Schweden auch Mitverantwortung für die Menschenrechtsverletzungen, denen die Männer in Ägypten zum Opfer gefallen sind. Die schwedischen Behörden hatten sich auf „Diplomatische Zusicherungen“ verlassen, obwohl die Furcht der Männer, in Ägypten gefoltert zu werden, sehr glaubwürdig war. In Ägypten hatte der schwedische Botschafter die Häftlinge sogar besucht, und diese hatten ihm von den Folterungen und Misshandlungen berichtet. Doch der Botschafter akzeptierte die Dementi der ägyptischen Behörden gegenüber den Foltervorwürfen. Später hielt die schwedische Regierung die Informationen des Botschafters zurück, und das Außenministerium behauptete, dass sich El Zari und Agiza nie beim Botschafter über Folterungen beklagt hätten. Die UN-Menschenrechtskommission hat am 10. November 2006 bestätigt, dass die schwedische Regierung für mehrere Verletzungen fundamentaler Menschenrechte von Mohammed El Zari verantwortlich ist.

Quellen:
siehe auch: Keine Flüge in die Folter!
27 November 2006
Sweden: The case of Mohammed El Zari and Ahmed Agiza: violations of fundamental human rights by Sweden confirmed (REPORTS) EUR 42/001/2006



Andere Quellen:

  • Swedish Helsinki Committee for Humna Rights
Background on the Agiza and El Zari case

Tobias Pflueger, Mitglied des EU Parlaments
[siehe unter 8. Victims]

  • Human Rights Watch (hrw)
Europe: Pending Questions on CIA Activities in Europe

  • EUROPEAN COUNCIL ON REFUGEES AND EXILES
Special ECRAN Weekly Update of 15 December 2006.
[siehe S.9 unter:UN HUMAN RIGHTS COMMITTEE
Violations of fundamental human rights found in ‘diplomatic assurances’ case]


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